laut.de-Kritik

Indie-Electronica zwischen Roosevelt und Pet Shop Boys.

Review von

"Bei jedem neuen Album stellen wir uns eine neue Herausforderung und die war diesmal, geschmackvolle Popmusik hinzukriegen. Und das heißt dann eben auch ein bisschen mehr Songstruktur", sagt Georg Conrad. "Vielleicht haben wir uns das früher auch einfach nicht so getraut, weil man halt immer noch in so einem Undergroundding verhaftet war. Und mit so richtigen Popsongs macht man sich natürlich auch irgendwie angreifbar", ergänzt Marius Bubat.

Beide bilden das deutsche Elektro-Duo Coma und sprechen über ihr neuestes Werk. Ihre Anfänge waren sehr im Club-Untergrund verhaftet, darum ging es dort eher um nerdige Trackstrukturen. Mit jedem Album öffneten sie sich aber dem Pop, speziell ihr Vorgänger "Voyage Voyage" war das erste mit klassischem Popmuster: Strophe, Bridge, Refrain.

Was bei der sukzessive gesteigerten Pop-Liaison gleich blieb, ist die melancholische Mixtur aus Indie und Elektronica, was dafür sorgt, dass die Musik nie langweilig oder gefällig klingt. Bereits die drei Jahre alte Lead-Single "Start/Stop/Rewind" bezaubert als elegant zusammengestellter Elektro mit gekonnter Hinzunahme von Melodien und Instrumenten.

Allen voran Gitarren kommen an etlichen Stellen zum Einsatz und sorgen für das organische Etwas wie beim unaufgeregten "Disconnected", dem im Kern tieftraurigen und dunklem "Hard To Find" oder dem großen Glanzstück "Space", dessen heller, erfrischender Grundtenor an den befreundeten Roosevelt erinnert, ein Freund gemeinsamer Kölner Tage. Ab Mitte des Songs schwenkt das Duo in Richtung nachdenklichen Indie-Rock mit wehenden E-Gitarren.

Ihr Handwerk an Keyboard und Synthesizer verstehen beide nach wie vor. Im Opener "Hideout" breitet sich eine einfache Melodie über ein vielschichtiges Elektro-Gewummer aus. Dazu gesellen sich Vocal-Snippets sowie Field Recordings und zunehmende Dynamik. "Transmission Failure" schlägt in eine technoide Kerbe, profitiert hierbei vom treibenden Schlagzeug und guten Rhythmusverschiebungen.

Das entfernt an die Pet Shop Boys erinnernde "Sober" nimmt einen kräftigen Schluck 80er gepaart mit breiten Synthie-Flächen, die Stimme hingegen ertrinkt in zu viel Autotune und Reverb. In seiner Gesamtheit unaufdringlich, jedoch sehr unscheinbar und bildet somit die einzige Schwachstelle. Viel besser funktioniert das metallisch-kantige "The Same", angereichert mit subtilen Deep-House-Elementen, bei dem auch Bob Moses begeistert sein dürften.

"Beyond You And Me" geht als sympathischer Elektropop durch, bei dem der Beat knackig durchläuft und die brasilianische Gastsängerin Dillon ans Mikro tritt, wie auch schon auf dem zweiten Coma-Album "This Side Of Paradise". Marius und Georg überraschen sogar mit ungewohnter Schwerelosigkeit, die Reminiszenzen an Air wecken: "NFS" glänzt mit exotischen Geräuschen und schlichtem Piano.

Coma beenden ihr viertes Studioalbum cool und dynamisch, denn "Surrender" positioniert sich als großes Schauspiel ihres Könnens, das ein für die Band untypisches Ritardando beherbergt. Deutschland hat nicht viele Künstler dieser Tragweite, denn von Claire hört man beispielsweise schon lange nichts mehr. Umso schöner, dass Conrad und Bubat trotz Familienpflichten die Zeit finden, weiterhin solch smarte Musik zu machen.

Trackliste

  1. 1. Hideout
  2. 2. Disconnected
  3. 3. Beyond You And Me
  4. 4. Sober
  5. 5. NFS
  6. 6. Hard To Find
  7. 7. The Same
  8. 8. Transmission Failure
  9. 9. Start/Stop/Rewind
  10. 10. Space
  11. 11. Surrender

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