laut.de-Kritik
Common, aber alles andere als gewöhnlich.
Review von David Maurer"We were young and we didn't know / We were trading our crowns for our souls" - Chicago lockt vielleicht mit schnellem Aufstieg und leicht verdientem Geld, entpuppt sich dann aber nicht selten als Abwärtsspirale aus Drogen und Gewalt, die ein Entkommen unmöglich macht: "Welcome to Chiraq!". Dieses harte Pflaster der Straßen von Chi City vertont Common auf "Nobody's Smiling" lyrisch gehaltvoll wie eh und je.
Wie schon der Titel vermuten lässt, geht es auf seinem ersten Werk seit "The Dreamer/The Believer" stellenweise äußerst düster zu. Allein in "The Neighborhood" könnte Common einen ganzen Part mit "Black Stones", "Four CHs", "Vice Lords" und anderen Gangs füllen, die jungen Männern in seiner Heimatstadt zwar Gemeinschaft geben, aber jegliche Perspektive nehmen. Produzent No I.D. untermalt das Szenario mit Curtis Mayfields "The Other Side Of Town" und schafft so gleich zu Beginn eine erdrückend bedrohliche Stimmung.
Als besonders geschickt erweist sich der Zug, dem jungen Chicagoer MC Lil Herb eine Bühne zu bieten. Der liefert mit markant kratzigem Organ nämlich einen der besten Parts der gesamten Platte ab und schildert die Ausweglosigkeit in seinem Viertel inhaltlich wie technisch
eindrucksvoll: "I've been out there three days and I got shot at three times / Felt like every bullet hit me when they flew out each nine / I be happy when I wake up and I have a free mind."
Lil Herb ist dabei nicht der einzige Gast, der zu Zeiten Commons frühester Werke höchstens den Kindergarten besucht haben dürfte. Abgesehen von seiner eigenen Supergroup Cocaine 80s finden sich in den Features ausschließlich deutlich jüngere Künstler. Das Zusammenspiel der verschiedenen Generationen funktioniert jedenfalls prächtig. Selbst der fast schon partytaugliche From-The-Bottom-To-The-Top-Track "Diamonds" mit Big Sean verdient sich eine Daseinsberechtigung.
Die zugegeben nicht besonders originelle Kernaussage "Mach dein Ding" bettet Common hier in gewohnt elegante Lines, nähert sich der jugendlichen Euphorie des Champagner schlürfenden Mittzwanzigers jedoch zumindest sprachlich an: "I shine tomorrow with what I do today / Yo, get this money, put the diamonds on display".
Ebenso erfrischend präsentiert sich "Blak Majik", das neben zwei selbstbeweihräuchernden Versen von Common mit einem leicht mystischen Gesangspart von Jhené Aiko aufwartet. Die Kalifornierin mit den weltweit verstreuten Wurzeln ergänzt den hypnotischen Beat perfekt um verdrehte Wörter und verworrenen Zeilen: "I am the matter that cannot be seen / I am the conscious you have in your dream". Spätestens sie macht "Blak Majik" zu einer der interessantesten, aber auch vertracktesten Nummern des Albums.
Überhaupt lässt sich "Nobody's Smiling" wohl kaum als Easy Listening bezeichnen. Aus hin und wieder arg übertrieben verzerrten und wiederholten Vocal-Samples bastelt Commons langjähriger Gefährte No I.D. einige Stücke, die jeglicher Eingängigkeit entbehren und so automatisch den Fokus auf die exzellenten Vorträge der rappenden und singenden Protagonisten lenken. Wenn der Produzent nicht nur Biggies "Hypnotize" bis zur Unkenntlichkeit durch den Computer jagt ("Speak My Piece"), sondern auch mit der "Hook" im Titeltrack leicht an den Nerven zehrt, erstrahlen die einzelnen Verse eben noch heller.
Wesentlich zurückgelehnter gleitet "Real" aus den Boxen und klingt dabei mehr nach Miami als nach Chicago. Die Realness, die Gastbarde Elijah Blake anderen MCs ebenso herablassend wie sanft abspricht, beweist Common hier allemal und unterstreicht erneut seine Ausnahmestellung: "The name is Common / I'm anything but the norm".
Nachdem sich im anschließenden "Kingdom" ein bestens aufgelegter Vince Staples zu einem treibenden Gospelchor behauptet, markiert "Rewind That" nicht nur den Abschluss, sondern gleichzeitig eines der Highlights der Platte. Hier trifft No I.D. mit schwermütigen Streichern exakt die Stimmung des Tracks. Voller Nostalgie schwelgt Common in Erinnerungen und gedenkt - nicht zum ersten Mal - der 2006 verstorbenen Produzentenlegende J Dilla. Wenn er von der ersten Begegnung und gemeinsamen Zeiten erzählt, sollte das jeden Hip Hop-Head berühren: "This one's for my man J Dilla / As I say these words, my eyes fill up."
Ob er sie nun mit Tränen in den Augen geschrieben hat oder nicht - die Zeilen des mittlerweile 42-Jährigen stehen auch auf seinem zehnten Album beispielhaft für emotionale Wucht und technische Präzision zugleich - Common, aber alles andere als gewöhnlich.
4 Kommentare mit einer Antwort
Wird blind gekauft! Auf Common kann man sich verlassen!
erinner mich immer noch ungern an das juice special über den vogel. sehr unsympathisch. einzig brauchbarer track den ich je von ihm gehört habe war das intro von "be". amirap weiterhin am (tr)apgrund.
Einzig brauchbarer Track finde ich ein wenig übertrieben. Die "Like water for chocolate" ist für mich ein Klassiker, "One day it will all make sense" kann auch einiges. Die "be" ist auch nicht verkehrt, das Intro allerdings tatsächlich der beste Track. Danach hab ich aber aufgehört, mir seine Platten anzuhören.
Ein MC der Dope geblieben ist.
EIn Künstler der immer geht. Gute Texte im amerikanischen Hip Hop werden ja immer seltener und schön zu wissen dass es ein Künstler gibt auf den man sich verlassen kann. Alles andere ist denk ich mal Geschmackssache.