laut.de-Kritik
Tequila anyone?
Review von Sven KabelitzSeit Beginn von "Poncho Express" steigt die Zimmertemperatur im Raum um fast zehn Grad. Ich schwitze. Ein Tumbleweed umspielt meine Beine, während das Verlangen nach Wasser steigt. "Get Up And Shake!" Wie denn, bei diesen Temperaturen? Clemens Marasus geifert, spuckt und sabbert manisch über das Studiomikro. Unwillkürlich wische ich mir mein Gesicht ab. Mach mich nicht nass, Digger, sonst schick ich meinen Esel.
Der staubige Stoner-Funk in "Beefheart", eine Verbeugung vor dem Kapitän an Zappas Seite, gehört zu den dörtigsten Nummern, die meine Ohrmuscheln seit Ewigkeiten hören durften. Ein krankes Stück Musik, das sich munter bei den Rock-Legenden der 1970er bedient.
Doch "Beefheart" dauert ewig, und selbst die Wüste kennt die Nacht. Sie ist kalt. Die Wutausbrüche von Marasus und der restlichen Band werden von vier Minuten coolster Bläserimprovisationen durchschnitten. Die Spannung zwischen den beiden Songfragmenten ist greifbar. Coogans Bluff, ihr lasst mich Sterne sehen.
Angeknockt robbe ich weiter durch die Wüste, die einst mein Arbeitszimmer war. Vorbei an der ersten Fata Morgana, in die Arme von "The Dirt Keeps The Funk". Da denkt man eben noch, der Gesang macht bei Coogans Bluff den Unterschied aus, schon funktionieren die auch noch im Instrumental-Modus. Dirty-Funk zwischen den Straßen von San Francisco und dem Eastwood-Western, der den Musikern einst ihren Namen lieh. Schweinerei. Die machen mich fertig. Hört auf! Bitte! Sonst erlebe ich das Ende dieser Rezension nicht mehr. Sind Sie der singende Busch?
Netterweise gönnen mir Coogans Bluff eine kurze Pause. Mit "You And Me" reichen sie mir ein Glas Wasser, angereichert mit Zitronenaroma, 1990er Indie-Sound und schnuckeliger Gesangsmelodie. Da lässt es sich kurz entspannt über dieses Album palavern.
Thilo Streubel, der eigentliche Sänger der Band, legt seit letztem Sommer eine Baby-Pause ein. Anstatt die Chance zu nutzen und die Füße mal hochzulegen, übernahm Bassist Marasus auf einigen Songs die Vocals, hinzu kamen Stefan Meinking (Trombone) und Max Thum (Saxophon). Die fünf Tracks wurden von Schlagzeuger Charlie Paschen abgemischt. Bitte verzeiht mir, aber bei diesem Resultat wünsche ich Streubel schnellstmöglich neue Vaterschaftsfreuden.
Doch genug gelabert. Esel gesattelt und weiter mit dem "Poncho Express". Tequila anyone? Der Titeltrack ist ein verschwitztes und schmutziges Jam-Gelage, das sich zu einem lärmendem Finale hochfährt.
"Afterwith Is Everybody's Wit" ändert abrupt das Setting. Western war gestern. Ein Psychedelic-Funk-Rocker, ein Schuss H für Vincent Vega auf den nächtlichen Straßen zu Mia Wallace. Der Pfad der Gerechten ist zu beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Gesegnet sei Coogans Bluff, die im Namen der Barmherzigkeit und des guten Willens die Schwachen durch das Tal der Dunkelheit geleiten.
2 Kommentare
Eine dieser Bands, die man dank ihrer Performance (siehe Beefheart-Video live oben) spontan von der Bühne zerren und verprügeln möchte. Vor Allem den Gitarristen links außen.
Sehr gelungenes Plattencover.