laut.de-Kritik
Zwischen Trance-Qualität und kalkuliertem Dance-Radio-Futter.
Review von Toni HennigLetztes Jahr feierte das DJ-Duo Cosmic Gate, bestehend aus Stefan Bossems alias DJ Bossi und Claus Terhoeven aka Nic Chagall, mit einer Jubiläums-Compilation und einer Tournee durch dreißig verschiedene Städte auf der ganzen Welt sein 20-jähriges Bestehen. Nun erscheint mit "Wake Your Mind Sessions 04" der vierte Teil der aktuellen Mixserie der beiden. Der besteht wieder einmal aus zwei verschiedenen Mixen auf zwei CDs, wobei die einzelnen Tracks nahtlos ineinander übergehen.
Die erste CD leitet Nihil Youngs und Less Hates "Loss" ein, das mit präzisem 4/4-Beat und verträumten Harmonien rhythmisch und melodisch die Fährte für den weiteren Verlauf legt. Ein erstes Highlight stellt der anschließende Simon Doty-Remix von Jonathan Rosas und Kyla Millettes "Daylight" dar, der mit angenehmen Vocals und melancholischen Piano-Akzenten zum Entspannen einlädt. Ebenso chillig gerät All Living Things' "Programme Music", das dem Mix noch um Elektro-Anleihen bereichert, denen man auch später immer wieder mal vereinzelt begegnet. Beim Solid Stone-Remix von Sudhaus & The Washs "Meridian" kommt dann mit glockenspielartigen Geräuschen so langsam nächtliche Party-Stimmung auf.
Im Anschluss steigt das Euphorie-Level noch weiter an, bis in Fuenkas "Bogano" der Peak erreicht ist, wenn eine peitschende Snare, rotierende Elektronik und helle Synthies sich in der Mitte entladen. Zeit, dass mit den Vocals in ANUQRAMS "Bionic Soul" wieder ein wenig mehr Ruhe ins Klangbild einkehrt, ohne dass man auf energetische Momente verzichten muss. Jedenfalls baut sich der Track nach und nach zu einer rauschaften Trance-Nummer auf, wie sie im Buche steht.
Die besonderen Harmonien und die Vocals der einzelnen Tracks arbeiten Cosmic Gate im Großen und Ganzen gelungen aus, jedoch immer mit dem Blick auf den Dancefloor und ohne die Qualität zu vernachlässigen. Zudem fokussiert sich das DJ-Duo auf frische Acts. Die Balance zwischen klassischen Trance-Tunes und eigenständigen Ansätzen hält es dennoch. Das verdeutlicht auch die zweite Hälfte, wenn sich der Mix zwischen melodischer Eingängigkeit und treibenden tanzbaren Einschüben überzeugend einpendelt.
Da sorgen die Synthies in Spencer Browns und Wilt Claybournes "Womaa" auch mal für warmes Seventiess-Flair. Nostalgische Erinnerungen beschwört ebenso der AVIRA Remix des Chicane und Moya Brennan-Klassikers "Saltwater" herauf.
Als zweiter Höhepunkt der CD kristallisiert sich mit "Need To Feel Loved" allerdings ein eigener Track Cosmic Gates heraus, der letztes Jahr mit Fôret entstand. Den emotionalen Refrain bekommt man nämlich nicht mehr so schnell aus dem Kopf. Dem schließen sich noch straighte Beats, kreisende Synthies und glasklare Piano-Tupfer an, die in der Mitte in einer ausgelassenen instrumentalen Rave-Passage münden, bevor der Refrain noch ein wenig kraftvoller ertönt. Der Mix könnte schließlich mit "Paradigm" von Kolonie geradliniger kaum enden. Dafür besitzt die Nummer ein einprägsames Vocal-Sample.
Insgesamt schreibt der Mix die Trance-Geschichte sicherlich nicht neu, bewegt sich jedoch auf konstant solidem Level, so dass man einen gut zusammengestellten Überblick über die aktuelle Szene bekommt, die gerade in den USA neben EDM sich großer Beliebtheit erfreut, woran Cosmic Gate sicherlich einen großen Anteil haben. Leider tun sich Bossi und Chagall mit der zweiten CD keinen Gefallen.
Die fängt mit "Your Mind" an, einem aktuellen Track des DJ-Duos. Der lebt von der unverkennbaren melodischen Handschrift von Bossi und Chagall und einem Vocal-Sample und hat letzten Endes alles, wofür Cosmic Gate seit mehr als zwanzig Jahren stehen. Etwas origineller fällt dagegen das afrikanisch anmutende Sample im Grum-Remix von Paul Thomas' und White-Akres "Vyote" aus. Das bietet nämlich zur geradlinigen Trance-Struktur einen exotischen Kontrast. Anschließend servieren uns Cosmic Gate mit "Rites" von Bryn Liedl ein recht vocal-lastiges Stück mit leicht retrofuturistischen Synthies, das durch ruhige Gewässer führt. Jedoch stehen spätestens in "Rave Daze" von Genix alle Signale auf Alarm, erreicht der Mix hier doch seine ravige Phase.
Leider gehen im Anschluss die Vocals und die besonderen Harmonien der Tracks in den übersteuerten Effekten völlig unter. Egal, ob man elegante Vocals im Above & Beyonds Club-Mix ihrer gemeinsamen Nummer mit Richard Bedford, "Bittersweet & Blue", vernimmt oder in "Axiom" von Thomas Mengel eine verträumte Piano-Harmonie auftaucht: Nur kurze Zeit später machen brachial laute Bass- und Elektro-Klänge jeglichen hörbaren Ansatz zu Nichte.
Die Kurve kriegen Cosmic Gate mit dieser höchst kalkulierten Vorgehensweise nicht mehr, obwohl sie auch Tracks größerer Namen wie Armin Van Buuren oder Mauro Picotto in ihren Mix einbinden. Den hätte das DJ-Duo lieber einer gewöhnlichen Dance-Radiostation anbieten sollen, statt ihn auf Tonträger zu verheizen. Vielleicht taugt die CD ja noch dazu, fürs nächste Großevent wie dem Tomorrowland vorzuglühen. Bei klarem Verstand erfüllt sie ihren Zweck jedoch einzig und allein als Untersetzer.
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