laut.de-Kritik
Über der Hoffnungslosigkeit schwebt Zuversicht.
Review von Irene Winkler"Tell Me How You Really Feel" fordert die Australierin auf und fühlt damit nicht nur uns auf den Zahn. Courtney Barnett gewährt mit ihrem zweiten Solo-Album vor allem tiefen Einblick in ihre eigene Seele.
Schon der erste Song "Hopefulessness" geht unter der Last schwerer Melancholie fast in die Knie. An trägen Gitarren und dumpfen Drums vorbei beschreibt sie ungeschönt deprimierend die abgrundtiefe Frustration, die eine vollkommene Hoffnungslosigkeit mit sich bringt. "Sometimes I feel sad, It's not all that bad" singt Courtney Barnett und versucht im beschwingten "The City Looks Pretty", auch diesen düsteren Momenten etwas Gutes und Sinnvolles abzugewinnen. "Charity" kommt in ähnlich spritziger Punk-Aufmachung rüber, doch auch hier sprüht der Zynismus aus jeder Zeile.
Begründet auf ihr eigenes Unverständnis gegenüber Gewalt, beschäftigt sie sich immer wieder mit der Frage, wo Aggression entsteht und stieß dabei einmal auf ein berühmtes Zitat von Margret Atwood, das sie im Song "Nameless, Faceless" verwendet: "Men are scared that women will laugh at them. Women are scared that men will kill them". Dazu fordert sie zu schrammelnden Indie-Gitarren in ihren eigenen unmissverständlichen Worten: "I wanna walk through the park in the dark."
Barnetts eigene Frustration und offensichtliche innere Zerrissenheit erreichen den Zuhörer nicht ausschließlich über ihre Texte. Ihre grungigen Kompositionen, die in melodischem Kontrast zueinander stehen, vermitteln spürbar ihre eigene Disharmonie mit sich und der Welt.
"I'm Not Your Mother, I'm Not Your Bitch" klingt tatsächlich derber, als es gemeint ist, handelt es sich hierbei nämlich nicht um das vielleicht nochmals erwartete Männer-Thema. Vielmehr übt Barnett erhaben distanziert Kritik an der ganzen verdorbenen Gesellschaft, während sie ihre schwelende Wut den Instrumenten überträgt.
Schonungslos steckt sie uns musikalisch und lyrisch in ein Fass voller Emotionen und schüttelt es 37 Minuten lang kunstvoll durch. Mit "Walkin' On Eggshells" zeigt sie schließlich offen ihre Erschöpfung, und doch schwebt über all den Songs scheinbar immer eine beinah trotzige Zuversicht. Im letzten Stück des Albums "Sunday Roast", verabschiedet Courtney Barnett uns mit einem optimistischen, hoffnungsvollen Song, in dem sie die warmen, fürsorglichen Aspekt von Freundschaft und den liebevollen Umgang miteinander besingt. Ja. Den gibt es tatsächlich noch auf der Welt.
3 Kommentare
absolutes überalbum!
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Wirkt am Anfang etwas sperrig, gewinnt aber mit jedem Anhören. Packendes Album.