laut.de-Kritik

Rap als Haltung, nicht als Klickoptimierung.

Review von

Cr7z bleibt sich treu. Der Rosenheimer Rapper veröffentlicht mit "Goldene Ratio" sein neuntes Studioalbum und liefert genau das, wofür ihn seine Fans lieben – und was Kritiker*innen ihm schon länger vorwerfen: kompromisslosen Tiefgang, treibenden Flow, aber auch kryptische Texte und wenig Abwechslung. Der Einstieg mit dem Titeltrack verspricht Großes: ein epischer Beat, atomkriegsgetränkte Metaphern, Weltuntergangs-Countdown inklusive Explosion. Doch die brachiale Wucht, die sich im Aufbau ankündigt, verpufft schnell. Cr7z' Duktus bleibt zwar stark, aber die Textzeilen kreisen irgendwann nur noch um diffuse Gesellschaftskritik. Da geht's dann unter anderem um eine "niederfrequente Gesellschaft, die degeneriert": "Es scheint mir, sehen sie am Horizont den Atompilz zum dritten Weltkrieg, holen sie selbst dann noch ihre Handys raus und knipsen Selfies." Der Track endet zwar mit der Detonation einer Atombombe, doch besonders krass schlägt das, was sich danach auf dem Album befindet, nicht ein.

Stärker ist er, wenn er direkter wird. "Hyperfokus" (feat. BELLI) kombiniert eine verträumte Autotune-Hook mit einem eher düsteren Mix aus melancholischem Melodiebett und unaufdringlichem Beat. Dazu Lines, die Hip Hop-Ethos atmen: "Deep ist, wenn ich über etwas Wichtiges spreche. (...) Lügner verraten ihre Ideale, die sie in Interviews und Liedern ansprachen. Ihre Chancen hatte ich auch aber blieb bei den Wahren. Seh' im Spiegel einen Mann der sich nicht verbiegt für das Bare. (...) Als Fan wär' ich enttäuscht, wär' mein Lieblingsrapper auf einmal ein gieriges Arschloch, das seine Prinzipien beugt." Genau hier blitzt die Cr7z-DNA auf – Rap als Haltung, nicht als Klickoptimierung.

Überhaupt: Flow kann er. Er brettert konsequent durch seine Tracks, ohne Refrain-Pausen zu brauchen. Das klingt beeindruckend, wirkt im Albumkontext aber monoton. "Goldene Ratio" lebt deshalb weniger von Variationen im Rap, sondern eher von vereinzelten Soundideen in den Beats.

"Planetarische Zirkulation" experimentiert mit esoterischen Bildern, bleibt aber textlich so kryptisch, dass man irgendwann lieber nachschlägt, ob man gerade nicht doch ein spirituelles Handbuch statt eines Rapalbums hört. Das erinnert an Cr7z‘ Gastbeiträge auf den offen verschwörungsideologischen Liedern "Marionetten" und "Der deutsche Michel" der Söhne Mannheims. Mit Xavier Naidoo würde sich Cr7z sicher sehr gut und ausführlich über die Schattenregierung oder was auch immer unterhalten können, zumindest lassen mich das Lines annehmen wie: "Die Musik wäre wahrscheinlich verboten, schriebe ich nicht in Codes, es gibt Entitäten, die Seelen bewohnen. Ich frag dich jetzt: siehst du auch darin Shiva? Wenn sie ihre Zungen zeigen und mit den Augen nach oben schielen." Geht es Cr7z gut? Es klingt nämlich nicht wirklich danach: "Kann nicht pennen, bis diese Worte aufgenommen sind. Ich tu das hier aus Gründen, aus besonderen. Hundert Prozent echt, hundert Prozent Energie, Menschmaschine, Perpeto Mobile."

Was bist du denn Großem auf der Spur, Christoph? Im Track "Vernunft" geht's nämlich weiter auf der kryptischen Reise bis hin zur vollkommenen inhaltlichen Unverständlichkeit. "Größer als es scheint" fragt dann folgerichtig: "Vielleicht ist alles so viel größer als es scheint?" – doch nach welchen Antworten Cr7z wohl sucht? Ich zumindest verstehe nicht einmal, was mir der Autor damit sagen will: "Ich fand den Schlüssel zu den Herzen meiner Hörer auf nem Notenblatt. (...) Ohne das Halten meiner Hand wären sie gestorben voller Todesangst. (...). In Isolation im Zentrum des neunten Kreises wie Lucifer, war ich wie das Kreuz an ihrem Rosenkranz. Sie wurden instrumentalisiert (...), geopfert wie das Osterlamm. Im Chaos ihrer Atome streiften sie meine Galaxie, ich entkalkte die Epiphyse, regulierte ihr Melatonin, Meister der Zeremonie, Heiliger Valentin, es fällt blaues Mondlicht durch die Lamellen der Jalousien." Was ich zumindest im Albumkontext verstanden habe: die "Jalousien" tauchen als Motiv so regelmäßig in Cr7z-Songs auf, dass ich einen starken Verdacht in Bezug auf seine persönliche Fenstergestaltung habe – bin ich da etwas auf der Spur, das vielleicht größer ist als es scheint?

Wenigstens: Wenn's persönlicher wird, überzeugt er am meisten. "Eminem Poster" und "Zur Ruhe kommen" sind tiefgehende Stücke, teils schonungslos deep, die trotz dunkler Themen berühren. Auch "Ohne mich" (feat. Laskah) hätte ein starkes Mental-Health-Statement werden können, der Song thematisiert Einsamkeit, innere Leere und die teils dunkelsten Stunden in Cr7z' Leben, inklusive Suizidgedanken. Doch inhaltlich schafft er aber leider keine positive Wendung und hinterlässt eher Ratlosigkeit. Laskahs Autotune-Refrain nimmt dem ernsten Inhalt zudem ein bisschen die Kraft. "Doppelpunkt Klammer zu" kommt dafür dann mit einem geilen Beat und stabiler Hook. Auch textlich ein guter Song.

In "Siuuu" geht es direkt von Anfang an in einen stabil produzierten Beat, der sich episch anhauchend während eines Intros mit Eminem-Referenz aufbaut: "My Name is, my Name is, my Name is Cr7z". Der Track kommt natürlich nicht an die Qualität eines Eminem heran, doch ist sowohl vom Beat als auch von Cr7z' Flow her einer der stärksten des Albums. Inhaltlich gibt's gute Lines, aber auch ein bisschen klassische Deutschrap-Selbstbeweihräucherung, gipfelnd in einem immer wieder "Cr7z" rufenden Stimmenchor. Da ist das Publikum auf den anstehenden Tour-Konzerten zum Album sicherlich auch ohne Übung textsicher!

Die beiden featured Songs "Prime Time" (mit Subbotnik) und "Das erste Mal" (mit Saya) überzeugen alles in allem nur mäßig. Das war früher mal deutlich besser. Ganz anders bei "Krankes Biz III": Hier feuert Cr7z mit einer Energie, die der Rest des Albums zeitweise vermissen lässt. Starke Bars, klare Ansagen an die Industrie – ein Song, der hängen bleibt und zeigt, was in ihm steckt, wenn er den Fokus auf Battlerap und Kritik richtet. Wenn man sich nach dem Lesen dieses Reviews einen Song des Albums anhören möchte, dieser wird's hoffentlich der. Hier wird abgeliefert – und als Hörer*in wird man nicht mit einem teils fast schon bedenklich eskapistischen Textinhalt überrascht.

Das passiert dafür bei "Summe der Liebe" mit Cassandra Steen, der nicht nur musikalisch überhaupt nicht gelungen ist. Der Track sinkt inhaltlich bodenlos in esoterische Kitsch-Sphären ab – ein unbeholfener Versuch, Gottesliebe in ein Pop-Gewand zu pressen? In der Doubletime resümierte mein Kollege daher folgerichtig (und keinerlei Ergänzung meinerseits benötigend): "Das klingt, als hätte jemand Pop-Rap-Percussion unter Royalty Free-Spa-Musik gelegt. Dann dieser unglaublich klobige, awkward Refrain von Cassandra Stehen (...). Ich würde es eine esoterische Schmonzette nennen, aber so, wie ich den Text verstanden habe, scheint es hier ja um die Liebe Gottes zu gehen. Wenn das wirklich bedeutet, dass Cr7z ein für alle Mal im christlichen Rap angekommen ist, dann ergibt seine ganze Entwicklung plötzlich so viel mehr Sinn."

Dazwischen gibt es solide, aber unspektakuläre Stücke wie "Daigo Parade", "Formel 1", "Festung" oder "Eisfuchs". Sie laufen mit, ohne weh zu tun – aber auch, ohne groß aufzufallen. Dennoch sind sie stabil genug, um meine drei von fünf Sterne für dieses Album zu rechtfertigen, welche der teils verschwörerische Inhalt anderer Songs definitiv nicht verdient. Es ist alles in allem, wie mein Kollege schon in der Doubletime zusammenfasste: "Je weiter seine Karriere fortschreitet, desto weniger ist Cr7z ein artsy-nerdiger Hardcore-Rapper, sondern einfach nur noch Spotify-Core für vierzigjährige Atzinnen, die in einem pseudo-buddhistischen Yoga-MLM feststecken." Das trifft's ganz gut, finde ich.

"Goldene Ratio" ist ein Album voller Kontraste: manchmal stark, oft kryptisch, teilweise überambitioniert. Cr7z liefert Fans genau das, was sie erwarten: ehrlichen, technisch starken Rap mit tiefen Themen. Wer auf Abwechslung, Innovation oder Eingängigkeit hofft, wird hier allerdings weniger fündig. Cr7z bleibt halt Cr7z. Zwischen epischen Beats, philosophischer bis verschwörerischer Kryptik und ehrlichen Momenten ist "Goldene Ratio" ein gerade so solides Album, das die Fanbase zufriedenstellen dürfte, aber nicht darüber hinaus strahlt.

Trackliste

  1. 1. Goldene Ratio
  2. 2. Hyperfokus
  3. 3. Daigo Parade
  4. 4. Planetarische Zirkulation
  5. 5. Formel 1
  6. 6. Eminem Poster
  7. 7. Zur Ruhe kommen
  8. 8. Ohne mich
  9. 9. Doppelpunkt Klammer zu
  10. 10. Vernunft
  11. 11. Größer als es scheint
  12. 12. Summe der Liebe
  13. 13. Eisfuchs
  14. 14. Festung
  15. 15. Siuuu
  16. 16. Prime Time
  17. 17. Das erste Mal
  18. 18. Krankes Biz III

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3 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor 20 Stunden

    Hot take, aber kann es sein, dass den Typen viel nur "deep" finden, weil er es ständig betont und das ganze inhaltlich eher laue Geschwurbel halt maximal unzugänglich verpackt?

    Für mich waren der und Absz schon immer das Hiphop Equvalent zu irgendwelchen halbklugen, die sich für ihren livestream mit Weisswein vor die Bücherwand pflanzen, damit alle merken "nun wird es klug" und dann mit möglichst vielen Fremdwörtern aus dem ersten Semster irgendeinen unterkomplexen Allgemeinplatz runterrattern.

    Kann mir einer irgendeinen Inhalt von dem sagen, der nicht nur irgendwie deep klingt, sondern tatsächlich was relevantes aussagt?

    • Vor 20 Stunden

      Vielleicht denken seine Fans "Er sagt komplizierte Worte in langen Sätzen, er ist schlau und deep."

    • Vor 19 Stunden

      Cr7z einfach der capslock des d-raps.

    • Vor 18 Stunden

      Die Beschreibung mit dem Weißwein vor die Bücherwand und so, hat mich jetzt eher an Ragi erinnert. ;)
      Capsi ist eher eine andere Kategorie.

    • Vor 17 Stunden

      caps ist ehrenwertes Mitglied der ancientcave und hat mit dem bekifften Schwurbelkopf aus Rosenheim nichts am Hut.

    • Vor 17 Stunden

      Höhlenmenschen müssen zusammenhalten, bei all den Raptoren und Pterodaktylen da draußen

    • Vor 16 Stunden

      @Sohnio-Hase: nur weil du sowohl bei Cr7z als auch bei Caps textbezogene Verständnisprobleme hast, heißt das nicht, dass die beiden Gemeinsamkeiten haben. (Außer die Gemeinsamkeit, dass du sie nicht verstehst. Diese Gemeinsamkeit teilen sie vermutlich mit einer Vielzahl von Personen.)

    • Vor 16 Stunden

      @huschi-mausi: Du hast scheinbar auch riesige Verständnisprobleme, da du meinen Satz nicht verstehst.

    • Vor 15 Stunden

      "Selber" wird immer ein top-Konter bleiben, sohn :D

    • Vor 13 Stunden

      "Es fing an mit Neugier und Naivität, deshalb war ich viel zu oft dem Tode nah
      Ein Broken Heart im Sommer, ohne Schnee auf dem Gras
      Betete: „Liebes Herz, bitte bleib jetzt nicht steh'n, wie du rast!“
      Gott sei Dank nicht mehr so zart besaitet und suizidal
      Ratschläge geben läg mir fern, wenn ich vor kurzem so war
      Ihr wisst, ich misch' mich auch nicht gern im Leben ein
      Im Gegenteil: Ich bleibe ruhig und greife nur, wenn es extrem wird, ein"
      (aus Kaizen von "Im Zeichen der Rose" (2024))

      Das Ding bei Cr7z war immer, simple Botschaften möglichst kompliziert zu verpacken. Gute Künstler versuchen in der Regel das Gegenteil. Der Beispiel-Text hier demonstriert sehr gut, dass er versucht, eine sehr bildhafte Sprache zu verwenden, aber die Metaphern und stilistischen Mittel eher deskriptive Funktionen haben als irgendeine Mehrdeutigkeit zu erzeugen.

      Außerdem ergibt das Gesagte keinen Sinn: Ein Broken Heart im Sommer ohne Schnee auf dem Gras? Ich weiß nicht, was ich daraus interpretieren soll. Im Sommer gibt es ohnehin keinen Schnee und wenn man beide Worte als Drogen versteht, ist es dann nicht gut, dass er erstmal nur Gras konsumiert? Bezieht sich die Zeile auf seine Vergangenheit oder seine Gegenwart?

      Also der Song selbst heißt ja "Kaizen", was aus dem japanischen übersetzt so viel wie "stetige Verbesserung" bedeutet und einige Lines benennen Drogenkonsum. Aber wirklich konsistent bleibt der Text auch nicht beim Thema, die gezeigte Stelle ist hier in Ausreißer, der Rest besteht nur aus Motivations-Zeilen, die alle sehr deep klingen wollen, aber im Wahrheit nur eine einfach Botschaft besitzen.

      Das ist das Ding von Cr7z, nochmal spezifiziert: Bessere Künstler nehmen ein kompliziertes, mehrdimensionales Thema, meinetwegen politische und philosophische Dilemmata oder eben die eigene Suchterfahrungen und versuchen es, in einem kurzen Lied emotional greifbar zu machen. Cr7z beschäftigt sich hier aber nicht mit seiner Suchterfahrung, es wirkt eher so, als habe er die Phrase "Mir geht es nüchtern besser." im Kopf und versucht daraus, etwas komplexes zu machen. Und so kommt man dann auf Jahreszeiten, Berge, Himmel usw.

  • Vor 5 Stunden

    Deutschland hat keine Ahnung von Drums und Rhythmiken. Und die Fans feiern das ab. LOL. Nichts für den Mosh oder die Tanzfläche. Sowas kann nicht die 1 oder sonst was belegen. Da ist Don Toliver's Tore oder Travis Dumbo auf einem ganz anderen Level. Sofaygo ballert hier auch alles weg.
    Hab die erste Hälfte gehört und empfand es als crazy deep, aber kein Replay Value für mich.
    Da fand ich diese Hanni und Nanni Rapperin erfrischend.
    3/5 ist ok für mich. Hab sogar die Box gekauft, obwohl ich kein Fan bin. Einfach so zum unterstützen von Kunst.

  • Vor 3 Stunden

    Müsste es nicht "Golden Ratio" heißen?
    Oder eben "Der goldene Schnitt".