laut.de-Kritik

Gefällige Massenkompatibilität ist hier Maß aller Dinge.

Review von

"Trust Me", das kann ja jeder sagen. Okay, einer, der Grammys und Platin-Platten sammelt wie andere Leute Briefmarken, stellt diese Forderung vielleicht ein wenig nachdrücklicher, und wer mit "The Story Goes ..." ein doch durchaus amtliches Album im Nacken hat, dem darf man ruhig ein wenig Vertrauen entgegen bringen. Dachte ich.

"Ich war für meinen Geschmack etwas zu reif geworden." Diese Selbsteinschätzung Craig Davids, im beiliegenden Presseinfo kundgetan, lässt allerdings Böses befürchten. "Ich wollte hinausgehen und sehen, was im Nachtleben geschieht, wie damals, als ich noch DJ war, anderen DJs zuhörte und die Reaktion der Crowd beobachtete", heißt es da weiter.

Nun, jeder, der jemals in einem Club Platten gedreht hat, weiß: Das Volk schluckt immer diejenigen Tracks am gierigsten, die es bereits in- und auswendig kennt. Auf eine bewährte Nummer wie David Bowies "Let's Dance" fährt der gemeine Partygast eben 2007 immer noch ab.

Funktionsgarantie und Originalität unterscheiden sich allerdings auch dann noch, wenn der Meister persönlich seinen Hit zur Verwurstung freigegeben hat. Recht ideenlos renoviert, bleibt die Nummer ein schicker (aber alter) Hut. "Hot Stuff" überlasse ich in diesem Fall lieber weiterhin Donna Summer. Die Singleauskopplung mag musikalisch auf Nummer Sicher getrimmt sein, der Eintönigkeit macht sich Craig David mit "Trust Me" dennoch nicht strafbar.

Der üppige, temporeiche Chorus zu "6 Of 1 Thing" gerät ebenso funky wie der Basslauf in "Friday Night". "Awkward" bietet, basierend auf akustischer Gitarre, Bass und dezent im Hintergrund operierenden Streichern eine hübsche Ballade, in der - das hätte aus dem Booklet ruhig ein wenig deutlicher hervorgehen können - Rita Ora den weiblichen Part beisteuert. In Anbetracht ihres zarten Alters von gerade einmal 17 Jahren gerät ihr Feature sogar noch beeindruckender.

Mit Ausnahme des wirklich schauderhaft nach Kirchentag tönenden "Top Of The Hill" und "Kinda Girl For Me", einer kaum zu ertragenden R'n'B-Vokalquälerei, wartet jeder einzelne Song mit netten Details auf. Eine Gitarre verpasst "Just A Reminder" einen luftigen, hüpfenden Rhythmus. Für Balladenverhältnisse werden hier die Streicher erneut erfreulich sparsam eingesetzt. "She's On Fire" glänzt mit Bläsern, Scratches und Geräuschcollagen sowie Bässen, die dem Ganzen sogar einen leichten Dancehall-Touch verpassen.

Der Chorus von "Officially Yours" geht gut ins Ohr. Vor der Machtübernahme Osteuropas hätte ich einem hübschen Liebesliedchen wie diesem beim Eurovision Songcontest durchaus Chancen auf den Sieg eingeräumt. Genau hier liegt aber auch das Problem: Craig David probiert Einiges aus, opfert jedoch die meisten guten Ideen auf dem Altar der Gefälligkeit. In gleichem Maße wie seine Songs dadurch massenkompatibler werden, verlieren sie den Reiz des Einzigartigen.

Die völlige Abkehr vom Storytelling bedaure ich zutiefst; auf dem Vorgängeralbum zeigten sich in dieser Hinsicht noch viel versprechende Ansätze. "Lass uns tanzen, es ist Freitag Nacht"-Grütze bietet der zeitgenössische R'n'B schließlich bereits in erstickender Fülle. Gerade weil Craig David stimmlich auf den immergleichen Effekt setzt, wäre mir die eine oder andere thematische Herausforderung willkommen gewesen.

Zu guter Letzt findet sich in "This Is The Girl" am Ende des Albums noch eine Rap-Nummer. Auch hier legt David offenbar keinerlei Wert darauf, seinen Partner beim Namen zu nennen. Wüsste ich nicht, dass wir Zeilen des Londoner Ex-Grime-MCs Kano hören: Ich wäre wohl eher nicht dahinter gekommen. Das Booklet zu "Trust Me" verbirgt diesen nicht ganz unwesentlichen Umstand sehr geschickt.

Schade, geraten doch Kanos Verse deutlich interessanter als die vom Hauptkünstler gelieferte, überaus durchschnittliche Hookline, die wieder einmal auf "Give up my life for you"-Schmonz baut. Erstens: Wer will schon einen Kerl, der sich selbst aufgibt? Zweitens: Derartige Versprechungen werden auch durch die x-te Wiederholung nicht glaubwürdiger. Meine Herren, hört doch bitte endlich damit auf, uns und Euch in die Tasche zu lügen! Es nervt.

Trackliste

  1. 1. Hot Stuff (Let's Dance)
  2. 2. 6 Of 1 Thing
  3. 3. Friday Night
  4. 4. Awkward
  5. 5. Just A Reminder
  6. 6. Officially Yours
  7. 7. Kinda Girl For Me
  8. 8. She's On Fire
  9. 9. Don't Play With Our Love
  10. 10. Top Of The Hill
  11. 11. This Is The Girl

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9 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    Eure Kritiken werden immer unglaubwürdiger... 2 Punkte für ein Album, was selbst nach eurer Meinung immer wieder mit Ideen aufwartet und mehrere gute Nummern beinhaltet... wirklich Kritk gibt es für 2 Nummern...

    Ich stimme euch zu, dass mehr Storytelling besser gewesen wäre, aber melodisch und musikalisch ist es mit Sicherheit besser als 2 Sterne... aber was soll man erwarten, wenn schon eine Kate Nash oder eine Alicia Keys mit 3 Sternen bewertet wird...

    Hier wird fast nur noch genörgelt...
    3 Punkte wären nach euren früheren Massstäben gerecht gewesen, vor allen Dingen, weil das Album besser ist als "The story goes", welches allein im Mittelteil 3 Balladengrützen hatte...

  • Vor 17 Jahren

    ihr rafft nicht, dass die wertung "drei punkte" bei uns für eine überdurchschnittlich gute platte steht. damit haben wir es hier bestimmt nicht zu tun.

    ich fand den vorgänger wesentlich besser, weil es da den ansatz von storytelling gab. davon ist nichts mehr zu hören. und, sorry: alte bowie-hits zu tode zu reiten, das verdient keine drei.

  • Vor 17 Jahren

    na dann... was ist dann bitte 1 Stern... von Unterdurchschnitt bis Obergrütze??

    Dafür gibt es ja eine Abgrenzung von 5 versch. Bewertungen... das ab 3 schon richtig gut ist... ist lächerlich... naja was solls
    @freddy (« alte bowie-hits zu tode zu reiten, das verdient keine drei. »):

    Wenn ein Song direkt ein Grund (zumindestens benutzt du es als Argument) für eine schwache Bewertung ist, dann hat hier jemand anderes was nicht gerafft. Echt dämlich