laut.de-Kritik
Verschwende deine Freizeit!
Review von Michael SchuhDa ist es nun, das neue DAF-Album und klingt genau wie erwartet. Man könnte auch sagen: wie 1981. Dies allein wäre nicht das Schlimmste, denn gerade im elektronischen Bereich gilt der Rückgriff auf steinzeitliche PC-Sounds in der richtigen Verpackung noch immer als schick. Demnach muss es wohl an der falschen Verpackung liegen, die das Hören des brandneuen Delgado/Görl-Oeuvres zur regelrechten Tortur ausufern lassen.
All diejenigen, die dank Jürgen Teipels erfolgreichem "Verschwende Deine Jugend"-Buch nun auch bestens über die DAF-Anfänge Bescheid wissen, muss das Comeback ohnedies wundern. Vor allem Sänger Gabi Delgado machte in jenen Interviews Ende der 90er Jahre deutlich, dass er und Görl eigentlich ganz froh sind, einander nicht mehr so oft sehen zu müssen.
Heute behaupten DAF, Ende der 90er wieder zueinander gefunden zu haben. Sicher wissen wir nur eines: es gibt "15 neue Lieder", die 2003 niemand mehr braucht. Schon die Vorabsingle "Der Sheriff" trübt den Respekt für die einstigen Pionierleistungen des Duos. Denn was gerade DAF eigentlich wissen müssten: Einen Sequencer zu bedienen ist heute nicht nur keine Meisterleistung mehr, sondern auch finanziell für jedermann erschwinglich. Davon unbeeindruckt hämmern die Beats im altbekannten, leicht hochgetunten "Mussolini"-Stil vor sich hin und auch Delgado schöpft sein absurd-infantiles Lyrikpotenzial wieder in vollstem Maße aus.
In "Der Sheriff" kritisiert er Amerikas politische Hegemonie ("Wenn der Sheriff reiten geht, reiten alle mit") und schon hier erweisen sich dreieinhalb Minuten als halbe Ewigkeit. "Ich Bin Tot" treibt die tumbe Beat-Monotonie auf die Spitze: der Sequencer rattert stolze fünf Minuten lang, während Delgado eigentlich nur zwei Zeilen Text zu bieten hat. Die Sprachlosigkeit überträgt sich schnell auf den Hörer, etwa wenn sich Delgado im nur noch als stupide zu bezeichnenden "Rock Hoch" in plumpen Sex-Phantasien verliert ("Zieh den Rock hoch, das ist schön").
"Kinderzimmer" animiert den Hörer dann mal zum Mitsingen. Doch statt "Tanz den Jesus Christus" heißt es da plötzlich "Guerilla ist der kleine Krieg" und legt Delgados Bewunderung für die Baader/Meinhof-Gang frei. Aus dem lähmenden Sechzehntel-Brei stechen nur das komplex arrangierte (!) "Liebeszimmer" heraus, das eine hervorragende DAF-Ballade abgibt, und "Komm In Meine Welt", eine süßliche Symbiose aus Sequencer-Stakkato und Schlagermelodie.
"Alles ist käuflich", singen DAF in "Die Lüge". Komisch, das kommt einem beim Hören des Albums öfters in den Sinn. Es war zwar zu erwarten, dass die BPM-Vorreiter ihrem Stil bis ins Detail treu bleiben. Die eintönige und ironischerweise ziemlich obsolet klingende Umsetzung ist dennoch erschreckend. Das harte Urteil muss deshalb lauten: Verschwendet nicht eure Freizeit, Jungs. Zumindest nicht im Plattenstudio.
Noch keine Kommentare