laut.de-Kritik
Dan Mangan emanzipiert sich vom Klischee des Folk-Barden.
Review von Kai ButterweckBereits auf dem Vorgänger "Nice, Nice, Very Nice" emanzipierte sich Dan Mangan in Ansätzen vom Klischee des bärtigen kanadischen Folk-Barden, der allabendlich am Lagerfeuer sitzend zwischen handzahmen Grizzly-Bären und vom Himmel regnenden Ahornblättern dem klassisch gezupften Singer/Songwritertum huldigt.
Mit "Oh Fortune" verlässt der Endzwanziger nun nahezu gänzlich die tiefen Wälder seiner Heimat und wagt gar mehr als nur einen weiteren Blick über den Tellerrand.
Die Überraschungsmomente lassen nicht lange auf sich warten, und so breiten sich gleich zu Beginn auf "About As Helpful As You Can Be Without Being Any Help At All" ungewöhnlich orchestrale Walzerklänge flächendeckend aus, ehe ein lang gezogener Trompeten-Ton den Einstieg von "How Darwinian" markiert.
Ruhig und klar deckelt Mangans Stimme in der Folge die zwirbelnden Drums. Die zweite Hälfte des Dreieinhalbminüters bricht plötzlich aus, wenn sich opulenter Hall und fast schon Mogwai-ähnliche Gitarrenflächen zu einem einzigen mächtigen Klangbild verbinden.
Doch "Post-War Blues" bereitet der aufkommenden musikalischen Melancholie ein jähes Ende, wenn Mangans Stimme plötzlich beängstigende Parallelen zum Organ eines Eddie Vedders aufweist und angetrieben von reichlich Tempo und rockigem Background Fahrt aufnimmt.
In der Folgezeit bleibt Dan Mangan seinem Genre weitgehend treu, und dennoch sorgen punktuell eingesetzte gegenpolige Klang-Manöver immer wieder für frischen Wind und halten das Treiben auf "Oh Fortune" davon ab, sich zu nah der standardisierten Songwriter-Schablone zu nähern.
Seien es nun Vocals-Effekt-Spielereien ("Daffodil"), brachiale Orchestereingriffe ("Starts With Them, Ends With Us") oder herrlich unbearbeitete Gitarren-Umgreif-Techniken ("Leaves, Trees, Forest"). In regelmäßigen Abständen horcht man auf, wenn die harmonischen Song-Fundamente stetig von untypischen, aber bereichernden Sound-Szenarien unterwandert werden.
Die primär düster angehauchte Lyrik des Albums, bei der sich Mangan ein ums andere Mal mit den Schattenseiten des Daseins, dem Tod und Seelen-Tristesse beschäftigt, sorgt nur unterschwellig für Schwermut, dafür setzen klangliche Sonnenstrahlen zu oft und zu prägnant Akzente.
Dan Mangan entledigt sich seines Baumfäller-Hemdes und wagt einen weiteren Schritt hinaus in die weite Welt, ohne dabei aber an basisorientierter Authentizität zu verlieren. Nicht jeder wird von der Öffentlichkeit für solchen Mut belohnt. Mit "Oh Fortune" prämiert sich der Kanadier letztlich selbst am meisten.
1 Kommentar
Ich fand den Einstieg nicht ganz so leicht wie bei "Nice, Nice, Very Nice". Habe etwas gezögert, ob ich mir das Album kaufen soll und bin noch immer nicht 100%ig warm geworden damit. "Oh Fortune" unterscheidet sich, mal abgesehen von Mangans großartiger Stimme, stilistisch sehr deutlich vom Vorgänger. Mal schauen, wie sich die Platte mit ein paar weiteren Durchläufen noch entwickelt.