laut.de-Kritik
Zwischen Egotrip und Massentauglichkeit auf der Suche nach sich selbst.
Review von Dani FrommUnabhängig davon, ob man nur halbwegs erfolgreich teilgenommen oder als Sieger aus dem DSDS-Zirkus hervor gegangen ist: Das Etikett des Casting-Sternchens klebt an den Betroffenen wie Fliegenleim.
Daniel Schuhmacher unternahm in der Vergangenheit allerlei, um dem entgegen zu wirken. Er trennte sich von seinem Management, suchte sich neue Produzenten und verlagerte den Fokus auf selbstverfasstes Material, mit dem er seit nunmehr zwei Jahren durch die Lande tingelt.
Mit "Diversity" legt er jetzt das erste Album vor, dessen Stücke sämtlich aus seiner eigenen Feder stammen. Nicht schlecht für einen musikalisch doch relativ unbeleckten Talentshow-Gewinner, der vorher noch nicht einmal in einer Schüler-Band gespielt oder gesungen hat.
Man merkt seinen Nummern an, dass diesmal nicht kaltes Kalkül knallhart berechnender Marketingstategen dahinter steckt. Hier hat vielmehr ein junger Mensch Zeit und Geduld, Energie und Herzblut investiert, um genau das zu tun, das ihm vorschwebte. Das verdient, unabhängig davon, wie gelungen das Resultat ausfallen mag, schon einmal deutlich mehr Respekt, als sich bloß als singende Handpuppe der so seelen- wie gnadenlosen Maschinerie des Pop-Geschäfts auszuliefern.
"Diversity" spricht, in Wort und Klang, von der Suche nach sich selbst, den eigenen Zielen und dem richtigen Weg dahin. Daniel Schuhmacher hat all das noch nicht gefunden. Den durchaus mutigen Schritt hinaus aus der Unmündigkeit hat er allerdings vollzogen, die Richtung stimmt.
"We're crawling through the underground, searching in private for the killer sound." Helfen lässt sich Schuhmacher dabei von verschiedenen Produzenten. Federführend zeichnen die Köpfe hinter der britischen Synthie-Pop-Formation Mirrors verantwortlich. Entsprechend synthetisch und poppig geht es zu. Pumpende Bässe und elektronisch flackernde Melodien dominieren. Klavierballaden wie "Doleful" bilden die einsamen Ausnahmen, der sonst ubiquitär sprießende Dubstep findet nur in homöopathischen Prisen, etwa in "Fluctuating Mood", Verwendung.
Die Songs bestechen zwar, dem Albumtitel zum Trotz, nicht gerade mit musikalischer Vielfalt, da zeigte das Vorgängeralbum mehr Facetten. Wohl aber wartet "Diversity" mit einer Fülle guter Ideen auf, die man zuweilen nur hätte ein bisschen weniger hühnerbrüstig in Szene setzen müssen, um den wirklich eindrucksvollen Wurf zu landen. "Propaganda" zum Beispiel wirkt im Einstieg wie eine flache Version von "Come With Me", nur dass Godzilla hier in 2D durchs Bild zu stapfen scheint. Auch die dann einsetzenden mönchisch anmutenden Chöre hätten deutlich mehr Macht vertragen, um die volle Wirkung zu entfalten.
"Diversity" wandelt gar nicht ungeschickt auf einem schmalen Grat zwischen Egotrip und Massentauglichkeit, leicht angedüstert, aber allzu unfroh dann aber doch auch wieder nicht. Textlich rechnet Daniel Schuhmacher mit seiner Vergangenheit ab und breitet sein Innenleben aus. Wenn seine Zeilen auch nicht unbedingt einen Lyrik-Preis verdienen, wirkt doch ungeheuer wohltuend, dass hier tatsächlich jemand über Gedanken, Gefühle und Stimmungen schreibt und singt, die er aus eigenem Erleben kennt und die ihn umtreiben.
Statt hundert- und tausendfach gehörte Phrasen von ewiger Liebe, entfesselter Lust, endlosem Leid und der immer währenden Party wiederzukäuen, analysiert Daniel Schuhmacher sich und seinen Werdegang, sucht nach dem geeigneten Seelenverwandten, um seinen Rotwein nicht allein trinken zu müssen, und zeigt denen, die ihn immer noch als das unbedarfte DSDS-Blondchen brandmarken wollen, stimmungsabhängig abwechselnd die kalte Schulter und den Mittelfinger. "You can call it self therapy", wie so oft.
Aus dem Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-C-Part-Refrain-Korsett befreit sich der Junge schon auch noch, irgendwann. Ob er allerdings noch ein Händchen für den guten Chorus, respektive für das richtige Maß entwickelt: Na, wir werden sehen. Regelmäßig baut Schuhmacher in den Versen Atmosphäre auf, die ein wenig bis gewaltig übertriebene Refrains nahezu ebenso regelmäßig wieder über den Haufen rennen.
Dabei bräuchte es das gar nicht. Dass der Bengel singen kann, das zeigt sich ohnehin insbesondere an den Stellen, an denen seine Stimme ohne viel Bohei im Mittelpunkt steht. Sein raumgreifender Gesang verleiht sogar einer sonst etwas langweilig gestrickten Ballade wie "Doleful" einen besonderen Schimmer. Unter musikgeschichtlichem Meilenstein-Verdacht steht "Diversity" trotzdem nicht.
Sein Urheber darf sich dennoch auf die Schulter klopfen: Daniel Schuhmacher hat sich erst den alle Kreativität erstickenden Tentakeln der Castingshow-Fließband-Produzenten erfolgreich entwunden, und danach auch noch die versierten Songschreiber abgesägt, die ihm bis dahin Songs zurecht geschustert hatten. Nach dem Sprung ins kalte Wasser schwimmt er dort nun hoffentlich noch eine Weile. Mit "Diversity" hat er jedenfalls schon einmal das bisher gelungenste Album seiner Karriere im Gepäck.
12 Kommentare mit 3 Antworten
Hätte man das nicht ankündigen können? Ich habe gerade mal noch EIN mickriges Bier hier. Geschweige denn Chips, Popcorn o.ä.
4ter Absatz. Sehr wichtig. Muss einem nicht gefallen, aber allein dass er es tut, wie er es nun tut, verdient halt in dieser ganzen Sauce aus Scheisse eben ein Quäntchen Respekt.
Der einäugige König unter den Blinden vielleicht, aber hei, zumindest sieht ers...
und wie sich die Rezi liest, scheint da noch Potential zu sein?
irgendwann schafft er es sicher auch, meinen geliebten Wurthie zu übertreffen. GO WURTHIES.
Ja, wird ja nicht lang dauern, bis die ersten Mutties hier aufkreuzen werden um ihren Idol ihre Zuneigung auszudrücken.
Der Kerl ist natürlich nicht ernstzunehmen und Schmonz wie Dieser gehört verboten. Jeder der sowas feiert sollte ernsthaft über ein Leben im Kloster nachdenken!
Danke für die kritische, ehrliche und gute Rezension
die Kritik finde ich gut.Schuhmacher zeigt Potential. Er ist gross (nicht unwichtig,imho) ist attraktiv und zeigt Charisma. Ausserdem scheint er ne kleine Rampensau zu sein.Tia und das allerwichtigste..der Mann kann singen...das unterscheidet ihn ganz wesentlich von den anderen deutschen Bands.Für mich eine der interessantesten Stimmen (gibt ja so viele tolle Stimmen) der letzten Jahre.Wie hoch/tief kann er singen? Welche Töne zeigt er noch?.Ich mag jedenfalls die Songs.Das Business ist eh hart,das ist auch nicht anders für Schumacher.Warum auch?
Mir gefällt diese Beurteilung zwar stellenweise nicht ganz soooo, aber insgesamt gesehen ist sie gut.
Ich habe das Album inzwischen schon oft angehört und mir gefällt es immer besser. Bei jedem Hören fällt mir bei einem anderen Song etwas Anderes auf und ist dadurch nie langweilig ... im Gegenteil, es wird immer besser und interessanter und es macht einfach Spaß, das Album anzuhören. Und Daniels Stimme kommt in allen Höhen und Tiefen, die er so wunderbar singen kann, super zur Geltung. Dass er noch einen langen Weg vor sich hat, sieht man ja hier an einigen Kommis. Aber letztendlich muß seine Musik, seine Songs nicht jedem gefallen, Musik ist nun einmal Geschmackssache