laut.de-Kritik

Gewohnte Melodeath-Kost, auch ohne Gitarrist Niklas Sundin.

Review von

In der unlängst veröffentlichten Liste eines großen amerikanischen Musikmagazins zum Thema "Metalbands ohne schlechtes Album" taucht ohne konkrete Platzierung auch Göteborgs Melodeath-Institution Dark Tranquillity auf. Nun kann man über solche Kategorisierungen vortrefflich streiten. Aber es ist kaum von der Hand zu weisen, dass die Musiker um Sänger Mikael Stanne mit großer Verlässlichkeit gute bis sehr gute Platten veröffentlichen. Während die Artgenossen von In Flames trotz kontrovers diskutierter stilistischer Veränderungen weiterhin die großen Hallen bespielen können, blieben Dark Tranquillity kommerziell gesehen immer in der zweiten Reihe stecken. Ob sich das mit "Moment" ändert?

Als wäre es in diesen Zeiten für kleinere Bands nicht schon schwer genug, mussten die Schweden im Frühjahr auch noch den Abgang von Gitarrist und Gründungsmitglied Niklas Sundin verkraften. Damit brach der Band ein wichtiger Songwriter-Posten weg, zeichnete der Mann doch zusammen mit Keyboarder Martin Brändström und Schlagzeuger Anders Jivarp für das Liedgut der Metaller verantwortlich. Können sie diesen Verlust mit der Hinzunahme der bisherigen Tourgitarristen Christopher Amott (Bruder von Michael Amott, Arch Enemy, Ex-Carcass) und Johan Reinholdz kompensieren? Und wie verhält es sich überhaupt mit Dark Tranquillity in diesem "Moment", einem grauen und verregneten Tag im November?

Man bekommt ungefähr das, was man von den Göteborgern erwartet, nämlich soften melodischen Death Metal mit Elementen von Pop- und Electro-Musik, atmosphärisch verhaftet in einer durchgehenden Melancholie. Offensichtliche Hits drängen sich zunächst wenige auf, das Album erfordert etwas mehr Eingewöhnung als die beiden hervorragenden Vorgänger "Construct" und "Atoma". "Phantom Days" eröffnet solide, aber unspektakulär, "Transient" tönt schon eindrücklicher.

Bei einer derart lange existierenden Band zeigen sich die Veränderungen nur in den Kleinigkeiten - wie beispielsweise dem Hauch von Black Metal im Solo von "Identical To None". Kommt diese Note von einem der neuen Gitarristen? Soundmäßig drücken sie Dark Tranquillity keineswegs einen eigenen Stempel auf, sondern verhalten sich bis auf diese kleinen Fitzelchen im vordefinierten Rahmen. Hin und wieder solieren sie gefährlich nahe an der Grenze zum Power Metal herum. In "The Dark Unbroken" offenbart dafür Mikael Stanne endlich wieder seine schöne Gesangsstimme.

Die richtig guten Sachen lassen aber bis zur zweiten Hälfte des Albums auf sich warten, beginnend mit "Ego Deception". Die Keyboard-Arbeit in diesem Song erinnert leicht an "Strobe", den alten Progressive-House-Klassiker von Deadmau5. "A Drawn Out Exit" überzeugt nicht nur mit dunkler Stimmung, sondern vor allem mit einem herrlich dengelnden Bass. Kurz vor Schluss spendieren die sechs Schweden noch ein schönes Gitarrenlick im vorletzten Song "Empires Lost To Time", einem der klaren Highlights auf "Moment". Auch der balladeske Rausschmeißer "In Truth Divided" mit ausschließlichem Klargesang verdient eine Ehrenurkunde.

Nicht gerade mit Ruhm bekleckern sich hingegen Martin Brändström und Mixer Jens Bogren beim Thema Produktion. Manchmal klingt das Schlagzeug derart saftlos, dass die Songs leider einiges von ihrem potenziellen Wumms und ihrer emotionalen Wirkung verlieren. Aber diese Seuche bekommst du im Metal der letzten zehn Jahre einfach nicht besiegt. Dafür besitzt "Moment" ein wunderschönes Cover von Ex-Gitarrist Niklas Sundin, auf diese Weise bleibt er der Band wohl weiterhin erhalten. Eine derartige Gestaltung wünscht man sich im Metalbereich öfter, weg von den Klischees, hin zu mehr zeitgenössischer Kunst.

Trackliste

  1. 1. Phantom Days
  2. 2. Transient
  3. 3. Identical To None
  4. 4. The Dark Unbroken
  5. 5. Remain In The Unknown
  6. 6. Standstill
  7. 7. Ego Deception
  8. 8. A Drawn Out Exit
  9. 9. Eyes Of The World
  10. 10. Failstate
  11. 11. Empires Lost To Time
  12. 12. In Truth Divided

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