laut.de-Kritik
Finsteres Schauspiel mit Folk-Einflüssen und Doom-Metal-Riffs.
Review von Sven KabelitzAdenosin löst einen einige Sekunden dauernden Herzstillstand aus. Patienten, denen das Nukleosid gespritzt wird, haben für diesen kurzen Moment nicht selten das Gefühl zu sterben. Ein Augenblick des Innehaltens, ein erster Blick in die Düsternis, der man kurz darauf entrinnt. Aus eben dieser Welt des Entkommens, aus diesem kurzen Moment, in dem Furcht, Tod, Spiritualität und Hoffnung zueinander finden, entstammt Darkhers "Realms".
Zwei Jahre feilte Jayn H. Wissenberg aka Darkher nach der EP "The Kingdom Field" an ihrem Longplayer-Debüt. Einer Platte, deren Songs sie selbst geschrieben, aufgenommen, produziert und abgemischt hat. Ein finsteres Schauspiel, das die dunkle Atmosphäre einer Anna von Hausswolff ("The Miraculous") oder Chelsea Wolfe ("Abyss") mit Folk-Einflüssen und düsteren Doom Metal-Riffs, die an Black Sabbath gemahnen, verbindet.
Eben noch zeigt sich "Realms" als ruhender See, dann baut es sich wie gewaltige Sturmwellen auf. Die Tracks, die am besten an einem Stück funktionieren, führen immer wieder zurück zu Wissenbergs geisterhafter Stimme und ihrem Gitarrenspiel. Ihr eindringliches Songwriting erlaubt den Songs eine zerrüttete Dynamik, aus der diese ein unheilvolles Eigenleben beziehen.
"Irgendwann ist mir aufgegangen, dass die Vokabel 'buried' sich auch darauf beziehen kann, sich von etwas Negativen zu verabschieden, Dinge gemäß der natürlichen Ordnung zu Ende gehen und sie dann ruhen zu lassen", erklärt Darkher ihre Gedanken zu dem zweigeteilten "Buried". Teil eins dient dazu, die erdrückende Stimmung aufzubauen. Ein leerer Raum, den sorgsam nebeldurchzogene Klänge und Wissenbergs entrückte Stimme füllen. "Buried Pt. II" greift diesen Faden auf, entwickelt ihn weiter, bis verzerrte Gitarrenschläge das Gesicht des Tracks zerfurchen. Zwischen diesen beiden Extremen kippt das Stück hin und her, gibt zwischen den Lärm den Blick auf die in Echo getauchten Klagegesänge frei: "I've died a thousand ways / Buried deep."
Das sehnsüchtige "Moths" konzentriert sich in den ersten Minuten auf seinen akustischen Folk-Anteil, der in der Folge der Verzerrung den Platz überlässt. Anstatt gegen den Lärm anzuschreien, lässt Darkher ihn gewähren. Sie gibt sich dem Schmerz hin, je mehr Raum dieser einfordert. "Wars" sticht dank des unverblümten Elans und der marschierenden "Pornography"-Drums deutlich heraus.
Als einziger "The Kingdom Field"-Song schafft es "Forgone" auf Wissenbergs Erstling. Der Track, der sich auf die Überschwemmung ihres Wohnorts West Yorkshire bezieht, stellt "Realms" emotionalen Höhepunkt dar. Das schwere Schlagzeug, die undurchdringlichen Gitarrenwände, von Darkhers Violinenspiel durchkratzt, unterlegen ihre Beziehung zur zerstörerischen Seite der Natur. All dies verbindet sich hier mit einer herzerdrückenden Eindringlichkeit und dem einprägsamsten Gesangspart des Albums.
4 Kommentare
Hat nicht ganz den Tiefgang und die Stimmgewalt einer Hausswolff. Aber dennoch sehr interessant, das Ganze.
Erinnerte von der Stimmfarbe etwas zu offensichtlich an Chelsea Wolfe. Dennoch eine gute, atmosphärische Platte.
ihr sagt es beide. geht mir auch so.
Interessant, habe es gerade uffe Ohren. Thanx.