laut.de-Kritik

Eine farbenfrohe Welt des Wohlfühl-Eskapismus.

Review von

"Ich mache Musik, weil ich es liebe, sie zu machen. Ich liebe es einfach, aufzunehmen und zu produzieren." Manchmal braucht es auch nicht mehr als das, um Menschen mit Musik ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Dass Sloan Struble darin ein Meister seines Faches ist, hat er in der Vergangenheit auf seinen Debütalbum "Fuzzybrain" und dem letztjährigen Nachfolger "Harmony House" bewiesen. Doch auch nach fünf ereignisreichen Jahren, in denen er seit seinen Anfängen als Dayglow von einem unbekannten Bedroom-Pop-Hobbymusiker zu einem gefragten und etablierten Künstler herangewachsen ist, soll damit nicht Schluss sein. Auf seinem dritten Album "People In Motion" sieht der 23-jährige Texaner seine Aufgabe weiterhin darin, mit seinen persönlichen und vertraut wirkenden Geschichten, Gedanken und Beobachtungen eine Welt des Wohlfühl-Eskapismus zu kreieren.

Anders als noch auf "Harmony House", das mit dem Wall of Sound-Opener "Something" im letzten Jahr noch für einen explosiven Einstieg in Strubles Gefühlslandschaft sorgte, wartet in diesem Anlauf allerdings eine völlig andere Erfahrung zu Beginn der musikalischen Reise. Über knapp sechs Minuten hinweg nimmt sich Struble alle Zeit der Welt, um mit "Second Nature" einen fesselnden Grundriss für den Sound und die Atmosphäre seines neuen Projekts zu entwerfen. Stellenweise entschleunigter, aber nicht weniger energetisch, sorgt der glamouröse Track dennoch für einen erneut mitreißenden Sprung in die farbenfrohe Dayglow-Oldschool-Synthsphäre, die nach eigenen Aussagen stark von LCD Soundsystem inspiriert ist und sich in einer leichten Neuausrichtung an mehr Funk- und Dance-Elementen bedient als jemals zuvor.

Noch mehr als "Harmony House" lebt "People In Motion" von überschwänglichen und hoffnungsvollen Synth-Klangwelten, die Strubles Fähigkeit, in jeder Lebenssituation zumindest etwas positives zu sehen, abermals gekonnt widerspiegeln. Die Folgetracks "Radio", "Then It All Goes Away" und "Deep End" verdeutlichen dies dabei mit immenser Überzeugungskraft. "Radio" ist nicht nur eine euphorische und hochmelodische Hommage an die Musik, die für ihn einen unantastbaren Stellenwert hat und zudem auf "People in Motion", wie auch schon auf "Harmony House" und "Fuzzybrain" zuvor, eimal mehr in kompletter Eigenregie geschrieben, aufgenommen und produziert wurde. Es ist gleichzeitig auch eine Erinnerung an die Welt und ihn selbst, dass Musik die Kraft besitzt, eine Konstante in einer sich ständig verändernden Welt zu sein.

"Then It All Goes Away" thematisiert in der Folge das bittersüße Gefühl der Post-Euphorie, das Struble nach dem Ende seiner Nordamerika Tour im Herbst 2021 verspürte. "Es fühlte sich so an, als ob die unbewussten Ideen eines ganzen Jahres alle auf einmal in mein Gehirn kamen und einfach heraussprudelten. Ich habe wirklich die ganze Zeit nur an meine Fans gedacht und mir vorgestellt: 'Wie kann ich einen Dayglow-Song machen, der sich vertraut, aber gleichzeitig wie eine völlig neue Erfahrung anfühlt?'", beschreibt er den Schaffensprozess seiner Album-Leadsingle, die mit stampfenden Drums, treibendem Bass und üppigen Keyboard-Parts die gebührende instrumentelle Untermalung aufweist.

Auf "Deep End" greift Struble nach "Second Nature" dann zum zweiten Mal tief in seine Funk- und Dance-Trickkiste. In wahrhaftiger Keyboard-Ekstase springen die Synthesizer-Elemente zusammen mit einer ebenso hypnotischen Synth-Bass-Line, groovigen Disco-Drums und Strubles Falsetto-Gesang, der in seinem Repertoire inzwischen immer öfter auftaucht, unaufhaltsam und tanzauffordernd von Sekunde zu Sekunde.

Nach einem derart packenden Start überrascht es jedoch, dass es ihm, anders als auf seinen Vorgängern, nicht gelingt, das anfängliche Momentum auch weiterhin auf demselben Niveau zu halten. Während Folgetracks wie "Stop Making Sense", "Someone Else" und "Turn Around" zwar keinesfalls totale Enttäuschungen sind, setzen sie mehr auf Pop-rockige Einfachheit und Geradlinigkeit, was ihnen im Umkehrschluss die gewisse Prise an Originalität und Identität nimmt. "How Do You Know?", das neben "Deep End" und "Second Nature" noch am tiefsten in die Funk- und Dance-Gefilde eintaucht, fehlt es abseits des Refrains und den Bridge-Gang-Vocals wiederum weitestgehend an musikalischer Expressivität und Aussagekraft.

Der Spagat zwischen den alltäglichen und zwischenmenschlichen, aber gleichzeitig auch so intimen Gefühlen, die man von Strubles bisherigen Projekten gewohnt war, schwappen so nur noch in unregelmäßigen Abständen an die Oberfläche. Zunehmend erweckt "People In Motion" den Eindruck, als wäre es während des letzten Tour-Zyklus schon wieder mit Gedanken an die nächsten Live-Performances und kommenden, stetig wachsenden Menschenmassen entstanden.

Dennoch sollte man Struble auch nach ein paar durchschnittlichen Songs nicht abschreiben. Noch mehr als der hingebungsvolle, einmal mehr von bouncenden Synths und eingängigen Drum-Pattern geprägte Closer "Talking To Light", entpuppt sich "Like She Does" als atemberaubende Liebeserklärung an seine Frau Reagan. Nicht nur, dass der Song lyrisch, musikalisch und emotional wie ein natürliches Sequel und Happy Ending zu "Crying On The Dancefloor", dem grandiosen Highlight auf "Harmony House", klingt. Aufgrund des ekstatischen Chorus und Post-Chorus, dürften sich Dayglow-Fans schon jetzt darauf einstellen, mit atemberaubender Hingabe "Of all of the life that I have, I wanna be with you / I feel it like pouring rain / There's nothing else that I'd rather be than in love / With you every day" unter Freudentränen durch die immer größer werdenden Konzerthallen zu rufen.

"People In Motion" mag letztendlich zwar nicht die persönliche Nähe und artistische Hingabe eines "Harmony House" oder "Fuzzybrain" ausstrahlen, dennoch ist es kaum möglich, sich auch auf Strubles bisher schwächstem Album nicht von seiner authentischen und empathischen Ausstrahlung anstecken zu lassen. Selbst nach drei Longplayern sind die Nachvollziehbarkeit seines lyrischen Contents und die erfrischende Leichtigkeit seiner Musik, ohne dabei in naive, unreife oder oberflächliche Gefilde abzurutschen, weiterhin ein angenehmer Lichtblick, der nur vorübergehend leicht getrübt wurde.

Trackliste

  1. 1. Second Nature
  2. 2. Radio
  3. 3. Then It All Goes Away
  4. 4. Deep End
  5. 5. Stop Making Sense
  6. 6. How Do You Know?
  7. 7. Someone Else
  8. 8. Like She Does
  9. 9. Turn Around
  10. 10. Talking To Light

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