laut.de-Kritik
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Review von Philipp KauseHandwerklich absolut schön, dagegen lässt sich nicht das Mindeste sagen. Doch allzu hohe Erwartungen in puncto Kunst und Originalität erübrigen sich bei "Thank You For Today" von Death Cab For Cutie. Als einzigartig und nie da gewesen in der Musikgeschichte kristallisiert sich höchstens der Song "You Moved Away" heraus. Ganz verschrobene Feedbacks und verstimmt klingende Harmonien umhüllen auf diesem Track den unerwartet schüchternen Gesang.
Notwendig macht zumindest der Albumtitel die Erfindung des Rades nicht. Vor allem, wenn man die Worte "Thank You For Today" als Slogan nimmt und als Zusammenfassung der hier vertonten Gefühlslage. Ausgeruht, versunken, im Hier und Jetzt, unaufgeregt, dankbar - mit diesen "Tags" versehen, wird das Album zum großartigen Softrock-Soundtrack für spätabendliche Autofahrten.
Dagegen erweisen sich die Songtexte als nicht sehr positiv. Es dreht sich hier wohl um andere Gefühle als Dankbarkeit. "I Dreamt We Spoke Again" perlt verträumt vorwärts. Es steckt so wenig Aggression in dem Song, dass er schon keine Rockmusik mehr ist.
Das Verträumte und Rebellionsfreie setzt sich in "Summer Years" fort. Was verstehen sie wohl unter Sommerjahren? Das würde ich die Band gerne mal fragen. In einem Interview von 2016 meinte Schlagzeuger Jason McGerr: "Wir sind ja keine laute Band (...)." Das merkt man hier. "Wenn überhaupt, dann wird die nächste Platte diese Veränderung reflektieren." So äußerte McGerr sich damals zum Ausstieg von Tastenspieler und Ex-Producer Chris Walla. Nun ist die Veränderung eingetreten.
Ist das im Sinne von Alternative Rock denn überhaupt noch alternativ? Die Rock-Riffs wirken weich gezogen. Alle Mikrofoneingänge ertönen auf die gleiche Lautstärke gemischt. Weder einen Vorrang der Gitarre, noch der Drums, noch des Gesangs kann ich heraushören - so halten Death Cab das fast auf dem ganzen Album durch.
In "Gold Rush" ist das Schlagzeugs präsenter als auf dem Rest des Albums, es geht irgendwie um Trennung und Verschwinden, was auch immer das mit einem Goldrausch zu tun hat. Verlassenwerden, Löcher am Himmel, Risse in der Mauer sind auch das Thema im aufgeräumten Indie-Pop-Tune "Your Hurricane". "You Moved Away" und "Near/Far" hauen textlich auch in diese Kerbe.
Bei "When We Drive" blenden Death Cab die vorangehenden Tracks und auch die Band-Historie weitgehend aus. Der gebremst und diszipliniert klingende Sound löst sich nach gut der Hälfte seiner vier Minuten in eine magische Harmonie auf. Gitarre wie auch Keyboards setzen nur leichte Akzente, Drums und Bass merkt man kaum, und selbst der Gesang macht einen unauffälligen Eindruck. Obwohl also keinerlei Substanz oder grelle Signale den Text und die Melodie transportieren, klingt er sehr stark. Die Stimmung ist hier der Star. Wir werden beim Hören so durch die Zeit begleitet, als ob da jemand den Arm um einen legt und einfach nur da ist - schön gemacht.
Während "Autumn Love" dann eines der näselnd gesungenen Lieder mit Gitarre über Liebe ist, von denen die Welt bereits zu viele hat, erinnern mich die "Northern Lights" an The Stranglers in den 80er Jahren. Die ganze Stilistik, Ben Gibbards Gitarrenspiel, ein paar sehr markante Schlagzeug-Breaks und ein süßes, kleines Keyboard-Solo kurz vor Schluss tragen zu diesem Eindruck bei.
Der langsame und zittrige Schlusssong "60 & Punk" hallt lange nach. Wenn man den Text klar heraushören könnte, wäre es eindeutiger - es scheint so, als sei dies ein Lied über Musik. Das pathetische Stück beendet eine nicht sehr rockige Platte, die durch das Nachwirken erst Qualität ausstrahlt. "Thank You For Today" entfaltet sich nicht beim Hören, sondern als Statement und nur aufgrund seiner Bescheidenheit, finde ich.
Im Gesamten schillert die Scheibe dadurch, dass aus einer erlebten Stimmung heraus wahllos Klangschichten aufgetragen wurden und das Ganze nachher nicht mehr geschliffen oder abgerieben wurde. Das neunte Album von Death Cab For Cutie macht einen authentischen Eindruck, etwas schlicht, zum Teil einfallslos. Es kracht nicht. Doch es rutscht gut durch und verbiegt sich nicht.
3 Kommentare
"Es steckt so wenig Aggression in dem Song, dass er schon keine Rockmusik mehr ist."
Naaja, als ob Aggression jetzt irgendwie elementarer Bestandteil von Rockmusik sein würde/müsste. Wüsste jetzt aber auch nicht, was ich da als Alternativbegriff ansetzen würde. Impulsivität, Reibung, Schroffheit trifft's alles auch nur so halb.
Ein paar richtig gute (Summer Years, Your Hurricane, Northern Lights), ein paar richtig miese Tracks (Gold Rush, When We Drive, You Moved Away) drauf. Sehr unausgegelichen, aber was nettes fürn Sommer ist dabei.
vielleicht bin ich zu wenig bewandert mit der death cab diskographie (hauptsächlich transatlanticism und plans) aber ist aggression nicht eh die ausnahme bei der band? wenn das natürlich in einlullerei endet dann kann man das in nem review ansprechen. der ansatz bei wie im text selber beschrieben ner eher ruhigen band es an aggression festzumachen scheint nur unpassend.