laut.de-Kritik
Zwischen Steckdosenwumms und sanft getupften Momenten.
Review von Ulf KubankeEs gibt Bands, denen man ihr Alter nicht anmerkt. Deine Lakaien sind so ein Fall. Kaum zu glauben, dass Alexander Veljanov und Ernst Horn bereits seit 25 Jahren gemeinsam musizieren. Und nun ein Album zum darkwavenen silbernen Jahrestag. Ist das überhaupt noch relevant?
Kann das noch überraschen? Selbstverständlich! Mit "Indicator" sind unsere Kammerdiener zum September ihrer Karriere schlussendlich vollends erwachsen geworden und bewegen sich souverän im eigens gebastelten musikalischen Universum.
Was daran so neu ist? Beim lediglich flüchtigen Genuss des Albums klingt es eventuell gar eher typisch. Doch das täuscht. Veränderungen waren im Haus der Büttel ohnehin ein stets langwierig mäandernder Prozess. Am auffälligsten ist noch die neue Sachlichkeit in den Texten.
Neben gewohnt lyrischen und metaphorischen Betrachtungen der Liebe werden erstmalig ganz konkrete politische Missstände unserer Zeit benannt. Wer hätte das je von diesem auf der Bühne manchmal ein wenig entrückt wirkenden Duo gedacht?
"Europe" beispielsweise beschäftigt sich mehrsprachig mit der europäischen Frage, "Immigrant" schildert einfühlsam die Nöte und Sehnsüchte von Einwanderern, und "Six O'Clock" kritisiert wütend religiös ausgerichtete Politik.
Musikalisch werden die Liebhaber der elektronischen Elemente und jene, die die eher akustische Seite bevorzugen, gleichermaßen beglückt. Es gibt wohl keinen Longplayer des Gesindes, der so harmonisch beide Seelen in ihrer Brust vereint und versöhnt.
Beatlastige Tanzbarkeit und klassische Avantgarde im Elektromantel treffen auf schwelgerische Melancholie und organische Streicher. Vor allem Letztere übernehmen - von kräftig zupackend bis fragil - mehr und mehr jenen Platz ein, den früher Horns akustische Pianoparts besetzten.
Die Club-Hitsingle "Gone" ist dafür das perfekte Beispiel. Die Nummer tanzt leichtfüßig zwischen Steckdosenwumms und sanft getupften Momenten, in denen die nicht gespielten Noten die Intensität des Songs noch steigern.
Ein Füllhorn faszinierender Melodien hatte'n die beiden Fußsoldaten ohnehin schon immer parat. Diese transportiert Veljanov fast ausschließlich über die Vocals. Der melancholische Halb-Mazedonier hat seine Sangeskunst mittlerweile beeindruckend perfektioniert. Inzwischen ist er ganz bei der nuancierten Phrasierung eines Jacques Brel und Scott Walker angekommen.
Chansonhafte Leidenschaft und wohldosiertes Pathos wechseln einander gekonnt ab. Immer zum Wohle des Liedes, nie egozentrisch. Das hilft melodischen Überfliegern wie "One Night" oder "Blue Heart" ungemein, ihre ganze Suchtwirkung zu entfalten.
"Immigrant" verknüpft ambitioniert Horns weiß gekachelte Kälte mit einer Veljanovschs flehentlichen Wärme, die im gesummten Refrain ein wenig an Peter Murphy gemahnt. Am Ende sind es dennoch die ruhigen, eher introvertierten Momente der Platte, die am meisten faszinieren.
"The Old Man Is Dead" gibt den Bastard aus sarkastischen Requiem und Schlaflied, im Niemandsland zwischen Schuberts Leiermann und dem Sandmännchen. Dagegen wirken gar frühe Balladen-Großtaten wie "The Walk To The Moon" von 1993 heutzutage tatsächlich wie naive Skizzen.
Also bitte vergesst das dümmliche Darkwave-Klischee, mit dem die Band allzu lange Zeit kämpfen musste. Wer nach dem Genuss der CD diese beiden vielseitigen Künstler noch immer auf eine limitierte Schublade reduziert, sollte mit Lacrimosa und Unheilig nicht unter acht Stunden bestraft werden.
1 Kommentar
Eine echt geile Scheibe.
Der Gesang + die Klassik und ELektro Arrangement harmonieren perfekt.