laut.de-Kritik
Musikalischer Aktionismus mit Hang zur Sentimentalität.
Review von Dominik LippeEs ähnelt einem Diplom am Clown-College. Wer sich seine Meriten mit Witzeleien in der JBB-Welt erworben hat, kann darauf in den seltensten Fällen eine brauchbare Laufbahn aufbauen. "Bang Shui" mit 4tune war vor mittlerweile sechs Jahren Ausdruck dieser Ironie-Falle. Der Asiate hat für sich als Lösung den Gang hinter die Kulissen gefunden, wo er zu den angenehmsten und reflektiertesten Akteuren gehört. Vor der Kamera nutzt er die Aufmerksamkeit, um sich verstärkt für Herzensprojekte und Botschaften zu engagieren - mit deutlichem Hang zur Sentimentalität.
Für seinen eröffnenden Titelsong kombiniert Der Asiate konventionellen Radio-Pop mit einem Plädoyer für mehr Selbstliebe. In "Ich Bin Du" behandelt er seine eigene Kindheit als Sohn eines vietnamesischen Vaters in der sächsischen Provinz. Anrührend bemüht er sich, seinem jüngeren Ich die Zukunftsängste auszureden. Verstärkt durch den Refrain von AuréLie lässt er sich aber auch dazu hinreißen, das interessante Thema vielleicht nicht in Schmalz zu ertränken, aber zumindest stärker als nötig zu döppen. Schwermütig schleppt sich der Rapper auch durch den Trennungssong "Zeitmaschine".
"Denk An Mich" begleitet zudem eine gewisse Beliebigkeit. Äußerst gefällig bedient er sich für "Achterbahn" am Gassenhauer "Replay" von Iyaz. Serotoninfreier Dancehall erklingt kurz darauf in Erinnerung an "Damals". "Wir Feiern Härter!", lautet die Devise, wenn Der Asiate mit Zombic als Animateure im Scooter'schen Sinne eskalieren. Und "Gruß Aus Der Zone" widmet sich den ostdeutschen Eigenarten im Stile der 257ers. Mit einer Anmoderation zu den dortigen Rechtsextremen markiert Anja Reschke den Osten als Problemfall. "Sie mögen uns nicht? Interessiert nicht die Bohne", winkt der Rapper ab.
Mehrfach wendet sich Der Asiate dem musikalischen Aktionismus zu. Der Caritas Kriegshilfe ließ er etwa die Streaming-Einnahmen der Single "Pflicht Ruft" zukommen, einem Storyteller über einen einberufenen Soldaten. Seine gut gemeinte pazifistische Botschaft verknüpft der Rapper mit einer vagen Kritik Richtung "die da oben". Dort "spalten" die Medien, während sich die Profiteure ins Panzerfäustchen lachen. "Die, die Millionen verdienen, wollen keinen Frieden. Sie schmieden Intrigen, anstatt ihr Geld einmal der Masse zu spenden", betont er mit populistischer Note.
Beim ungesunden Volksempfinden ist auch Carsten Stahl Zuhause, der sich seit einigen Monaten ge-fährlich nah an die Hip-Hop-Szene heranrobbt. Der Asiate baut den früheren Laiendarsteller in seinem Anti-Mobbing-Song "Alle Meine Likes" ein. Dabei fällt die herzensgute Ansprache der besonders sensiblen Zielgruppe an der Schwelle zur Pubertät fast schon unter pädagogisch sinnvoller Musik à la Sukinis "Da Haben Wir Den Salat". Etwas eindringlicher beleuchtet "Für Die Ewigkeit", das in Kooperation mit der Stiftung 'Zeichen gegen Mobbing e.V.' entstanden ist, die Grausamkeit unter Jugendlichen.
"Für Die Ewigkeit" ist bereits 2019 erschienen. Andere Songs blicken auf eine noch längere Lebensspanne zurück, was dem Album einen gewissen Compilation-Charakter verleiht. "Wir Sind Die Polizei" erinnert an die augenzwinkernde Attitüde vergangener Tage ("Endlich muss 'n Mann bei einer Frau blasen"). So bemängelt er mit Lumaraa zwar Gewalt, Machtrausch und Links-Rechts-Schwäche der Beamten, doch die locker-leichte Herangehensweise klingt fast so, als gingen sie damit d'accord. Selbst die gesampleten Kollegen KRS-One, Sido und B-Tight wirken wie Unterstützer der Staatsgewalt.
Letztgenannter reiht sich auch in die Riege von "Meine Lieblingsrapper/innen" ein. Nostalgisch blickt Der Asiate auf die Zeit zurück, als überlange Posse-Tracks zum guten Deutschrap-Ton gehörten. Im Grunde eine gelungene Idee, auch wenn sich die Frage stellt, was Seyed und Entetainment auf dem konfusen Instrumental verloren haben. Und wieso legt ausgerechnet der geübte Zweikämpfer Olli Banjo den müdesten Parts vor? Letztlich beschränkt sich der Song ohnehin auf seinen Retro-Charme. Den ironischen Competition-Gedanken hat der frühere JBB-Rapper glücklicherweise hinter sich gelassen.
4 Kommentare
maximal 1/5 sollte klar sein
1/5 alleine für Carsten Stahl.
Wann hat Banjo zuletzt keinen müden Part vorgelegt? Ehrliche Frage.
Geiles Album, geile Feats, sympathischer Typ und das Herz am rechten Fleck.