laut.de-Kritik

Bonjour Tristesse!

Review von

Die Zeit ihres Teenagerdaseins überlebt zu haben, sei eine ihrer größten Errungenschaften, scherzte Sängerin Jo Bevan kürzlich. Über die verschiedenen Auswüchse der Pubertät, so wichtig sie für die eigene Selbstentdeckung auch ist, spricht man später ja in etwa so gern wie über eine Midlife-Crisis. Dennoch entspringen dieser Phase wichtige Impulse, die einen noch Jahre später beschäftigen: Adrenalin, Testosterone, Östrogene, alles im Fluss. Experimentieren, Stimmungen entwickeln, Extreme ausloten. Jo Bevan erinnert sich genau.

Auch drei Jahre nach dem selbstbetitelten Desperate Journalist-Debüt bleibt das Thema Aufwachsen bei der Londoner Postpunk-Band präsent, was neben dem Albumtitel auch das Cover verdeutlicht: Man sieht die Sängerin als Jugendliche missmutig-gelangweilt in einer verlassenen Gartensiedlung stehen. Bonjour Tristesse!

Schwarzweiß und düster klingen denn auch die neuen Songs, eben so, wie es sein muss bei einer Band, deren Namen auf eine Nerd-Story um einen nicht existierenden The Cure-Song rekurriert. Man findet diese Liebe des 2 Boys/2 Girls-Quartetts zur zweifelnden Weltsicht der Goth-Pop-Überväter auch in den Lyrics mit Keywords aus dem Robert Smith-Lexikon: "heaven", "drowning", "flowers", "tragic". Liebe, Wut, Zweifel, Schuld und Verlangen; Triebfedern für die künstlerische Identitätsfindung, die mit Mitte 20 eben ausgeprägter sind als mit Mitte 40.

Die lange Wartezeit auf den Nachfolger hat sich gelohnt: Desperate Journalist tüftelten ausgiebig an Songs und Strukturen, um einen Schritt weiter zu gehen. So umschiffen sie nicht nur das Schicksal des traurigen Postpunk-One-Hit-Wonders (wir erinnern uns an die großartigen The Organ aus Kanada), sondern dehnen auch ihren Sound in neue Bereiche aus. Die Gitarren klingen härter und rücken die offensichtlichen Smiths-Huldigungen in den Hintergrund.

Der alte Hit "Control" heißt nun "Hollow", ein Opener wie ein Gewitter, in dem Bevan auch ihr bekanntes Morrissey-Jaulen zugunsten einer wütenden Patti Smith tauscht (Smiths-Fans halten sich an die federnden Popjuwelen "Be Kind" und "Your Genius").

In "Lacking In Your Love" gerät die Stimmung sogar mal ausnehmend finster und Bevan lässt ihre Stimme kunstfertig überschlagen wie eine Dolores O'Riordan of Doom. Bringt sie gut rüber. "Grow Up" ist eine Platte ohne Ausfälle geworden, die die Aufbruchsphase des Punk'n'New Wave so lässig reanimiert wie zuletzt die ebenfalls (noch) im Underground agierenden Eagulls aus Leeds.

Trackliste

  1. 1. Hollow
  2. 2. Resolution
  3. 3. Be Kind
  4. 4. All Over
  5. 5. Purple
  6. 6. Why Are You So Boring?
  7. 7. Lacking In Your Love
  8. 8. Your Genius
  9. 9. I Try Not To
  10. 10. Oh Nina
  11. 11. Radiating

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