laut.de-Kritik
Ein letztes Mal fliegen - mit Extratrost und Extratrotz.
Review von Kerstin KratochwillHier kommt das vorerst letzte Album der Aeronauten, denn 2020 hat schon übel angefangen: Im Januar starb Sänger und Mastermind Oliver Maurmann aka Oliver M. Guz im Alter von nur 52 Jahren nach zwei Herzinfarkten. Seit Herbst 2019 hatte er vier Monate lang vergeblich auf ein Spenderherz gewartet. Mit ihm ging eine wichtige Stimme in der deutschsprachigen Indiemusik, der selbsternannte "Knödelbaron" sowie "Dirk von Lowtzow in Gummistiefeln" ist nun ein letzte Mal zu hören.
Denn trotz dieses Schicksalsschlags haben die Schweizer ihre Attitüde nicht verloren und schenken uns mit "Neun Extraleben" 13 Extralieder voller Rotz, Punk und Trost, denn wie heißt der letzte Song – die Handyaufnahme einer älteren Bandprobe – so umwerfend wie ein Versprechen: "Never Be Dead". So wird nicht viel vom Tod geredet, vielmehr das Leben gefeiert. Und Guz tröstet lakonisch wie weise: "Dinge gehen schief, Dinge gehen verloren, doch irgendwann wird alles gut" – selten hat man diesen Spruch glaubhafter gehört.
Die Songs entstanden ab Februar 2019 in einer Alphütte im Appenzellerland, wohin sich die Band zurückgezogen hatte. Als mitten im Aufnahmeprozess Guz' Tod alles lähmt, beschließen die anderen Bandmitglieder das Album in seinem Sinne fertigzustellen. Beim Recording wird Bier getrunken, es werden Geschichten erzählt, und so ein stimmiger Rahmen für die Songs gesetzt, die punkig, rockig und soulig vor sich hin schloddern. Klaviermelodien und Ennio-Morricone-Anleihen finden sich in den Liedern aber genauso wieder wie schrullig skurrile Einlagen.
"Neun Extraleben" ist eine extra große Zugabe einer Band, die nie richtig aus dem Außenseiterstadium herausgekommen ist – trotz berühmten Fans wie Schorsch Kamerun, Rocko Schamoni oder Frank Spilker von den Sternen. Den rauen Humor der Aeronauten kann man noch auf ihrer Website sehen, da steht immer noch: "Nächstes Jahr kommt der Durchbruch".
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