laut.de-Kritik

Ge-liked, ge-shared, ge-hyped!

Review von

Wer die letzten Monate nicht unter einem Stein verbracht hat, der wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der kraftvollen Viral-Welle der Trash-Rap-Combo Die Antwoord überrollt. Von der Blogosphäre in die Feuilletons der Wochenzeitungen, aus dem Facebook-Feed in die Konzerthallen Europas.

Rap auf Afrikaans, Rave-Beats und angesexter Pitch-Gesang, dazu eine gesalzene Promo-Kampagne teils vertuschend, teils offensiv selbstdarstellerisch. Man setzt auf die Faszination der Dummheit, gibt sich als weißer Ghetto-Trash. Das alles ist Öl in den lodernden Flammen des Hipster-Herzens, und so drehten die Songs "Enter The Ninja" und "Beat Boy" bereits vor Monaten ihre Runden auf YouTube. Ge-liked, ge-shared, ge-hyped!

In vorab veröffentlichen, semi-dokumentarischen Videos brilliert das südafrikanische Trio in seinen Rollen: Ninja als lächerlicher Knasti-Rapper, Yo-Landi Vi$$er als White-Trash-Flittchen und DJ Hi-Tek als schweigsamer Übergewichtiger im Hintergrund. Man munkelt, der kreative Background der Combo sei in der Kunstszene Kapstadts zu finden. Fakten und Verwirrspiel lassen sich hier – glücklicherweise – nicht trennscharf definieren.

Im Zef-Slang, einer Art Unterschichten-Dialekt des Afrikaans, spittet MC Ninja seine aggressiven Lyrics heraus. Dass das, ebenso wie der Yo-Landis weißblonder Vokuhila, Teil des großen Referenzen-Kosmos der Südafrikaner ist, scheint allzu deutlich. Am kalten Büffet musikalischer Zitate bedienen sich Die Antwoord wie hungrige Diplomatensöhne.

Ausladender Poser-Rap à la Kid Rock mit zerstörerischen Basslines findet sich schon im Opener "In Your Face". Rückkoppelnde Gitarren unterstützen die Crossover-Allüren des Tracks, die sich über die gesamte Laufzeit des Albums immer mal wieder zeigen.

Die Beats aus DJ Hi-Teks Maschinerie sind stets opulent mit massierendem Bass ausgestattet. Sie wandern von Euro-Dance zu Reggaeton und landen irgendwann bei entrücktem Trance (wer den versteckten Track findet, wird überrascht sein).

"$O$" ist keineswegs die Nachgeburt eines YouTube-Trends. Zu hochwertig produziert sind die nur auf den ersten Blick trashig anmutenden Songs. Satire, Maskerade, Postmoderne, Kunstpraxis und YouTube-Hype einmal beiseite: Das Album lässt sich wirklich gut hören, allein schon wegen der Breaks von "Wat Kyk Jy" und "Evil Boy".

Mit viel Ironie und keineswegs mangelndem musikalischen Geschick fabrizieren Die Antwoord ein eingängiges Debüt mit hohem Wiedererkennungs-Faktor. Die Südafrikaner liefern die Antwort auf eine Frage, die nie gestellt wurde – gut ist sie trotzdem.

Trackliste

  1. 1. In Your Face
  2. 2. Enter The Ninja
  3. 3. Wat Kyk Jy?
  4. 4. Evil Boy
  5. 5. Rich Bitch
  6. 6. Fish Paste
  7. 7. $copie
  8. 8. Beat Boy
  9. 9. She Makes Me A Killer
  10. 10. Doos Dronk

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