laut.de-Kritik
Die Toten Hosen des Deutschraps haben nix zu sagen.
Review von Stefan MertlikDie Fantastischen Vier könnten kaum egaler sein. Vor allem in einer Zeit, in der auch Hip Hop-Nachwuchs wie Symba und Apsilon releast. Nichtsdestotrotz hauen die Schwaben mit "Long Player" ihr elftes Studioalbum raus. Legenden? Unbestreitbar! Doch die 16 neuen Stücke verdeutlichen: Die Toten Hosen des Deutschraps haben nix zu sagen.
"Vierundvierzigtausend People springen auf und ab wie wild / Gesundheitszustand jetzt egal, wenn's dumm läuft halt zum letzten Mal", heißt es im Kehrvers von "44 Tausend". Auf der einen Seite Selbstironie: Guck mal, wie alt wir sind. Auf der anderen Protzerei: Guck mal, wie lange wir schon bedeutsam sind. Die Fantas denken nicht ans Aufhören, wie sie im Titelstück erklären: "Los, Leute, kommt ein bisschen näher / Ein Leben lang legendär / Gehen noch ein Stück, nehmen euch mit / Bis zum Ende Longplayer."
Dieses Pochen auf die eigene Langlebigkeit zieht sich durch die Platte. Kann man im 38. Bandjahr machen, ödet auf Albumlänge aber an. Das Durchhaltevermögen der Fantas brauchen für die 53 Minuten von "Long Player" deshalb auch die Hörer.
Die Themensongs, die mehr wollen als das Abfeiern der eigenen Legacy, gehen unter, denn sie fallen ebenfalls in die Kategorie: egal. Michi Beck reiht auf "Fliegen" Kalendersprüche aneinander: "Am Ende ist Familie das, was ewig bleibt / Denn Liebe ist das Einzige, das mehr wird, wenn man teilt." Thomas D. packt auf "Inferno" ebenfalls vermeintlich Tiefgründiges aus: "Es heißt, auch wenn die Reise uns Leiden bringt / Jeder weiß, dass sie uns gleichzeitig weiterbringt." Und Smudo reimt Nonsense auf "Weekendfeeling": "Stehlen dir die Latten vom Zaun, du Clown, wir bauen, was wir paffen / Schlabbern Schnaps in Schalen, zack, und ziehen Shots wie Waffen."
Den Vogel schießen die Rapper der Truppe auf "Win Win Win" ab. Im Stile des Ami-Rap-Klassikers "Broken Language" von Smooth Da Hustler zählen sie auf, wer sie sind: "Der Feder führende, Reime setzende
Scheiben spielende, Vibe catchende, live rappende / Vinyl wechselnde und dabei Neid weckende / Sich selbst am Mic backende und gleichzeitig scratchende" - und so weiter und so fort. Schnarch.
Dennoch ist "Long Player" kein Totalausfall. Zu sehr punkten die Produktionen, an denen unter anderem Stuttgarts DJ- und Producer-Großmeister DJ Thomilla gearbeitet hat. Für "Was Man Will" hat er ein Vocal-Sample aus “Es Gibt Momente” von der Hansi Biebl Band auf Links gedreht. "So Oder So" switcht immer wieder den Beat und kommt irgendwann beim Ploppen von "Drop It Like It’s Hot" heraus. Und "Aufhören" ist eine saubere Pop-Produktion mit Bläsern im Refrain.
Spannend wird es noch einmal am Ende. Die Berliner Retro-Rock-Band Kadavar hat den Fantastischen Vier für drei Songs die Instrumentale komponiert und eingespielt. Das Ergebnis klingt eigen und stilvoll und hat nichts mit Crossover-Fehltritten gemein.
Beispiel "Hallenbad": Christoph Lindemann zupft sanft an der Gitarre, singt dazu: Da-da-da, dab-da, da-da-da, dab-da. Dann setzt Schlagzeuger Christoph Bartelt mit der Hihat ein, Michi Beck beginnt zu rappen: "Warum aufregen? Warum aufgeben? Warum ausgeben? Warum aushalten?" Plötzlich rappt er - ähnlich wie bei einem Kanon - über seinen eigenen Rap: "Kein Eingang! Kein Ausweg! Kein Zugang! Keine Aussicht!". All das klingt so viel spannender als der Rest der Platte.
Im Pop-Olymp angekommen, an einem Tisch mit Udo Lindenberg, Nina Hagen und den Ärzten - so sehen sich die Stuttgarter vermutlich. Und gewiss gehören sie dort auch hin. Doch so hungrig und frisch wie Symba und Apsilon klingt "Long Player" nicht einmal im Ansatz. Viele Worte, wenig Inhalte. Dafür gut gemachte Popmusik, die deutlich mehr könnte, wie die Kadavar-Stücke beweisen.
14 Kommentare mit 3 Antworten
Ich kenne jemanden, dessen Mette ist am Rotieren af
Reimt es sich auf Mautschmuser?
da fällt mir auch Einer ein...Le Smou bringt die Mette zum kreisen.
Ungehört ein Punkt zuviel/5
So egal/5, dass es nichtmal für eine Leserwertung reicht lel
Ok, dann halt 1/5; so be it.
Smudo hat – zusammen mit einem anderen schlecht gealterten Herren – sehr wohl etwas zu sagen:
https://youtu.be/Ab51MS9VP5g?feature=shared
Schade, dass die Fantas nicht mal so einen richtig fetzigen politischen Song machen.
Bisher nur die Single mit dem Mia - Feature gehört, und die ist grandios beschissen mit extremem Nerv-Faktor.
Würde man bei den Kadavar-Songs die Schwaben weglassen, würde das Album ganz versöhnlich ausklingen.