laut.de-Kritik
Poesie statt Pop, Subtiles statt Storys.
Review von Stefan JohannesbergDer Aufschrei in der linken Weißbrot-Backpacker-Szene 1998 war groß. Was erlauben die Beginner, die ehemaligen Helden der AJZs? Wo sind die sozialkritischen Texte der Anfangstage hin? Gibt es "K.E.I.N.E." mehr? Wieso wird jetzt nur noch chefgestylt und ongerockt? Eizi Eiz gab damals - sinngemäß - in irgendeinem der unzähligen Juice- oder Backspin-Interviews eine klare und zeitlose Antwort: "Wir müssen nicht ewig platte Parolen droppen. Guck dir Jay-Z an, bei ihm kommt die Message über die Person und zwischen wenigen Zeilen und er rockt die Scheiße fett." Ich habe keine Ahnung, ob Die P diese Aussage kennt, ihre Musik atmet dieses Prinzip aber mit jeder Zeile.
Patricia Pembele erzählt als Die P Geschichten, ohne Geschichten zu erzählen. Sie positioniert sich, ohne sich zu positionieren, sie gibt Gefühle Preis, ohne, ja, genau das. Ihre Strategie: "Punchlines sind meine Art, wie ich History vermittle" - und das macht sie häufig und gut. "Viele sind hier links, deshalb suche ich Mr Right", bringt sie das Liebesleben und das Problem mit Neidern und falschen Fuffzigern in "Money Hustle Hype" mit nur einer Zeile auf den Punkt. Sie ist immer "Ein Schritt voraus, denkt nur noch um die Ecke" - und kennt das Business: "ob Straße oder Charts, es geht immer noch um Kunden".
Der Beat geht funkig und lässig nach vorne. Der Bass ist tief, die Kick voll und oben drüber geben dezent gesetzte E-Piano Loops dem Opener eine Laid back Boom Bap Stimmung. Es ist schon herausragend gut, wie angenehm und lückenlos Die P über dieses Gerüst flowt. Es gibt nicht viele RapperInnen, die so smooth und dicht ihre Reime ineinander fließen lassen. Big Pooh, Common oder aus Deutschland Max Herre oder Aphroe kommen einem in den Sinn.
In "Go Go" flext sie über einen verspielt bouncenden Beat mit schöner Wham-Referenz wie Savas zu "Till ab Joe"-Zeiten - ohne jedoch ihren Style zu ändern. Früher war eben alles besser oder wie Die P meint: "Damals war es Thug Life und Cribb Walk, heute ist nur Mitlaufen und Tik Tok". Da hilft im Alltag nur DIY-Attitüde: "Ich bin ein Sniper, eigener Chef und mein eigener Writer." Denn diese ist heute einfacher denn je.
Zum Glück. Während die Snare knistert, schneidert sie dem Kopfnicker "A Little Bit" eine wundervolle Hook auf den Leib und die One-Liner mit Meta-Ebene fehlen natürlich auch weiterhin. Highlight: "Meine Sneakers bleiben clean, meine Punchline dreckig".
Jaja, halbe Songs fallen mir leichter als ganze Bücher oder auf Die P gemünzt: Ein Reim fällt mir schneller ein als spannende Stories. Wie im Interview mit Yannik preisgegeben, ist das Curse'sche von Innen nach Außen nicht ihr Ding.
Selbst, als sie auf der Crew-Hymne "Mach Platz 4 Life" tief in ihrer Hip Hop-Geschichte diggt, versteckt sie die einstigen Einflüsse und Idole in klugen Versen. "Mach mein Meeting zu einem Dinner. Beginner. Ob Fanta oder Cola, mir egal, angefangen in einer Bude ohne Studio in einem Zimmer, wo sich viele treffen, laufen nebenbei noch krumme Dinger."
Wer hätte Ende der 90er seine potentielle Partnerin oder Partner nicht gerne gefragt: "Du willst Dinner, Lady? Wie wär's mit China-Imbi, a la Beginner, Baby?" von der ersten "Bambule"-Single "Rock On". Sie setzt den Wechsel von Cassandra Steen von der Freundeskreis-Kommune zum klar mainstreamigeren Projekt Glashaus-Projekt in Kontext zu ihrem eigenen Leben: "Freundeskreis wurde geringer. Habe gelernt, du sitzt im Glashaus, weil sie nehmen, was sie kriegen, reichst du ihnen den kleinen Finger." Und das ist nur ein kleiner Teil der Referenzen.
Die P macht es wirklich für die Kultur, geht gegen den Strom, macht handmade in Zeiten von KI und Plastik, setzt auf Poesie statt Pop, auf Subtiles statt Storys und stabilisiert auch mit ihrem dritten Album ihre Nische im Rapgame. "Für Hip Hip leb ich, aufzugeben, Bruder, geht nicht." "24/7" ist eine runde Sache so wie Hulla-Hoop'en.
4 Kommentare mit 23 Antworten
Ja, ganz toll. Auch die Referenzen. Wow.
Warum fühle ich hier bloß Ironie?
Ein cracker schreibt was von Weißbroten und sieht in den Beginnern linken Politrap
Tja, ich war halt als Halb Boomer dabei damals live vor Ort bei Beginner, Anarchist Academy und Punk-Hardcore-Konzerten. So war es wirklich. You mad?
Hmm, Caps, ich versteh den Joke jetzt auch nicht so richtig. Klar wurden die Beginner damals als explizit linke, politische Band gelabelt. Und als Bambule rauskam, war das Geheule groß. Hab ich nicht anders erlebt.
Erinnere mich noch deutlich daran, wie mir gesagt wurde, wegen der Line „doch weil es mir nichts gibt
Zwanghaft Mißstände zu benennen, üb' ich mehr Rap als Kritik“ gingen die jetzt gar nicht mehr
Daswar dann vor meiner Zeit. Gibt es da irgend nen Song?
Wir wollen keine keine keine
Paar sachen auf flashnizm. ZB "get funky bulle"
https://youtu.be/tE5bCpkqcGc?si=f7reNkB4sM…
Danke klong, mir hat im Tschett auch schon jemand Gotting gesagt, woraufhin ich da leider reinhörte. 1A Gymnasiastenrap.
Danke sehr. Dit war unter anderem gemeint.
@caps: Naja, gut, was erwartest Du? 93 in Deutschland halt...
"Naja, gut, was erwartest Du?"
Mindestens sowas:
https://www.youtube.com/watch?v=F3uAGhWdrxo
Aber rt das ist auch von 93:
https://www.youtube.com/watch?v=8QO-W01eiEM
wofür steht das P? Pfandflaschensammler?
Das P steht für lösch dich
Wingo ist und bleibt halt einfach ein Idiot. Hätte er nur mal weniger in der Küche gezogen.
Leckt mich, alle beide. Ich schau jetzt nen corny Weihnachtsfilm.
Ah, ein Hallmark Movies-Connoisseur. Die sind genauso tiefgehend wie dein Kommentar lustig war.
Depp. Ich bin mir sicher, du schaust dir am Nikolaustag Wilde Erdbeeren oder Svankmaiers Alice im O-Ton ohne Untertitel rückwärts abgespielt an. Für mich Prolet langt da durchaus ein Weihnachtsklassiker.
Liest sich wirklich wie 2003 von einem 30 jährigen Juice Redakteur geschrieben. "So flowt sonst nur Max Herre"
Und das Eizi Eiz Zitat ist ja ne richtige Quatschaussage.
2003 war ich Volontär bei laut.de und 27. also knapp dran. Chapeau. Ansonsten ist das natürlich eine stabile Aussage für reife Menschen
Eine matschige Birne ist nicht mehr reif.
Meine Matschbirne kommt vom kiffen.
Süß