laut.de-Kritik
Kunstvolles Wandern zwischen James Blake und Lykke Li.
Review von Andrea TopinkaIhr Debüt "This Silence Kills" bescherte der jungen Brasilianerin Dominique Dillon de Byington, besser bekannt als Dillon, eine Flut von Lobeshymnen: Trotz der teils nachdenklich gestimmten Texte, begeisterte die Platte vor allem dank ihres kindlich verletzlich anmutenden Gesangs und der manchmal fast fröhlichen Pop-Melodien.
Deswegen setzte die Künstlerin, die seit ihrer Kindheit in Deutschland lebt, für den Nachfolger "The Unknown" auf dieselben Erfolgszutaten: In den Räumen der Hamburger Clouds Hill Recordings begann sie mit den dreiwöchigen Aufnahmen. Unterstützung erhielt sie wieder von Thies Mynther (Phantom/Ghost) und Tamer Fahri Özgönenc (MIT).
Und wüsste man es nicht besser, könnte man beim Ergebnis an der einen oder anderen Stelle ("In Silence", "Evergreen") vermuten, James Blake und Lykke Li hätten sich 2011, als die Welt damit beschäftigt war, ihre Alben abzufeiern, in ein stilles Kämmerchen zurückgezogen und gemeinsame Sache gemacht.
Minimalistische Electro-Ansätze betten vielfältig eingestreute Piano-Noten ein. Vielleicht geht Dillon nicht ganz so vertrackt vor wie Blake auf seinem Debüt, sondern bietet dem Hörer immer wieder zugängliche Melodiebögen an. Vom Label Post-Dubstep sind ihre komplexen Pop-Songs trotzdem oft nur eine Schublade entfernt.
Dass sich die Stimmen von Lykke Li und Dillon ähneln, ist kein Geheimnis. Auf "The Unknown" mehren sich nun die textlichen Parallelen: Liebe, Trauer, Sehnsucht, Vergänglichkeit – die "Gedichte", wie die Brasilianerin ihre Lyrics selbst nennt, versuchen denselben adoleszenten Weltschmerz in Worte zu fassen wie die "Wounded Rhymes" der Schwedin.
Der Hauptteil der Songs funktioniert nach ähnlichem Muster wie die Vorsingles "A Matter Of Time" und "You Cover Me": reduzierte Balladen, in denen es unterschwellige Beats und schwere Piano-Anschläge Dillons Stimme ermöglichen, den Raum mit melancholischen Hauchen zu füllen.
Es geht aber auch anders, wie der Titeltrack "The Unknown" bereits ankündigt: Wellenähnliches Rauschen zieht sich als Motiv durch das Stück, bei dem im Verlauf immer wieder dröhnender Bass und Geklacker unheilvoll aufbrausen. "Nowhere" wirkt so, als sei es den Tiefen eines hippen Electro-Schuppens entsprungen. Gelooptes Stöhnen und finsteres Beat-Gepolter bilden das Grundgerüst, die Lyrics beschränken sich auf die kühlen Zeilen "With nowhere left to go, I stormed your mind".
Dem Clubbesuch voraus schickt Dillon "Lightning Sparked", eine perkussive Piano-Ballade, über die sie dann allerdings Unheil in Form von basslastigen Erschütterungen heraufbeschwört: "Sudden eruptions set us free / Change of direction carelessly / Unexpectedly jumping brakes / Sparks in combustion, rising rage".
Natürlich sind die Mittel, mit denen Dillon auf "The Unknown" arbeitet, keineswegs so unbekannt, wie der Titel es suggerieren mag, die Liste an Referenzen könnte man lange fortführen. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sich das Album kunstvoll zusammensetzt, emotional tiefschürfend ist und viel Hoffnung macht, dass Dillon auch in Zukunft den hohen Erwartungshaltungen und angelegten Maßstäben gerecht werden kann.
5 Kommentare mit 4 Antworten
Die Scheibe gefällt mir sehr gut.
Und was würdest du dazu im Vergleich zum Debüt sagen?
Ich bin ja bisher ein bisschen enttäuscht, ehrlich gestanden. Aber wahrscheinlich waren bloß meine Erwartungen total überzogen.
Geht mir genau so. Mir fehlen große, poppige Hits wie 13-35.
Dieses Werk gefällt mir noch besser als ihr Erstling. Gerade beim mehrmaligen Hören des Albums stellen sich viele Songs als Grower heraus. Meine Wertung habe ich deshalb von 4 auf 5 Sterne korrigiert.
Bislang das stärkste 2014er Album.
Da geht's mir inzwischen sogar ähnlich. Ich mag das Album auch von mal zu mal mehr, selbst an "Nowhere" finde ich inzwischen Gefallen.
Auf mich würden viele Songs aber trotzdem besser wirken, wenn ihnen auch ein paar eingängigere und lockerere Stücke kontrastierend gegenüberstünden. Ist aber wohl 'ne individuelle Geschmacksfrage.
Das Debut fand ich viel besser und spannender. Es war halt sehr poppig und melodisch, Tip Tapping, 13-35, usw. das waren wirklich schöne Songs. Das neue ist mir irgendwie zu sperrig, kann damit nicht so warm werden. Es ist mir auch zu änhlich zu James Blake. Bin etwas enttäuscht, 3 Punkte von mir.
Ich find's gut. Die Ähnlichkeiten zu James Blake höre ich auch, bekam ich aber von einem befreundeten DJ wieder ausgeredet
Blake ist (auf seinem ersten Album) deutlich verspulter, arbeitet bassorientierter. Und Dillon soll gar keine deutschbrasilianische Pop-Prinzessin werden, die soll ruhig als musikinteressierte und experimentierfreudige Dunkelsoundperle wahrgenommen werden, die vor allen Dingen selber Ahnung hat, was sie da fabriziert und warum sie klingt, wie sie klingt - ähnlich wie bspw. Emika, wenn auch ganz andere Sparte.
Ich weiss garnicht so recht, was ich von dem Cover halten soll. von weitem schaut das ja ganz spannend aus, als wenn die Dame von Wellen umringt wäre aber je näher man kommt umso flacher und...ja bescheuerter finde ich das. Der Inhalt der Platte ist ja das Gegenteil je länger man sich das anhört desto interessanter wirds (finde ich). aber dieses cover...ich weiss nicht.
Am Ende des Jahres, ist The Unknown bei mir auf Platz 14