laut.de-Kritik

Viel Rahmen, wenig Bild.

Review von

Er war so etwas wie die Geheimwaffe von Travis Scott. Mit dem Scheitern von Sheck Wes, Smokepurpp und demletzt wahrscheinlich auch SoFaygo war es Don Toliver, der mit präsentem und geilem Feature nach Feature seinen Stellenwert als Vizekapitän der Cactus Jack Label-Crew gefestigt hat. Der Mann mit dem verschickten Autotune-Gesang war so etwas wie die noch eigenbrödlerische R'n'B-Antwort auf Travis Scotts Sound nach "Astroworld". Doch trotz vieler Ressourcen scheitert Don Toliver weiterhin daran, auf seinem starken Fundament aufzubauen.

Er wirkt im Kern wie ein Artist, der deutlich interessanter sein sollte, als er auf den Alben tatsächlich ist. Vielleicht liegt es daran, dass er zwar viele interessante musikalische Kniffe aus dem Lehrbuch seines Mentors anwendet, aber dem doch wenig hinzuzufügen hat. Ein besonders auffälliger Moment davon gibt es im Form der großen Single des Albums: "Private Landing" wäre merklich gerne der "Maria I'm Drunk"-Moment, den Travis auf "Rodeo" zustande brachte, als er den Biebs in die Trap geholt hat.

Und der Beat klingt cool, die bebende Percussion, der solide Future-Verse und dann tatsächlich Bieber persönlich auf dem letzten Verse mit Trap-Adlibs und Zunder. Waren wir hier nicht schon einmal? Die besten Momente von "Love Sick" entstehen, wenn Toliver weniger auf die Deko und mehr auf den Kern schaut. "Time Heals All" hat eine starke Bassline, "Honeymoon" bringt eine der markanteren Melodie-Lines des Albums zustande, und das Jersey House-inspirierte "Bus Stop" mit einem gut aufgelegten Brent Faiyaz bringt Groove auf die Matte.

Der Rest des Albums ist eine große Mike Dean-Glitzer-Glitzer-Nebelmaschine. Ästhetisch und mysteriös und cool wabernd genug, damit Leute stoned dazu durch die Stadt laufen und es für die krasseste Sache aller Zeiten halten, aber auf einen nüchternen Kopf läuft es Gefahr, dröge zu werden. Besonders die immer wieder kehrenden Beatwechsel werden zur Gefahr, wenn sie in einem beigen Nichts verschwimmen. Auf die ersten zwei-drei Hördurchgänge fühlt sich "Love Sick" noch gleichförmiger und noch mehr auf die gleichen Sounds getrimmt an wie seine Vorgänger.

Und das trotz der zahlreichen, hochkarätigen Features, die mal mehr, mal weniger mit Mühe aufspielen. Ein spannender Moment ist sicherlich die Kollabo mit Lil Durk und GloRilla, wobei letztere mit ihrer übertrieben coolen Stimme auch mit einem angemessenen Beatwechsel in eine wabernde, dystopische Memphis-Chopped and Screw-Kulisse gebettet wird. Das ist alles sehr souverän und interessant aufgebaut, aber die Verses wirken ein bisschen zu sehr wie aus dem Gefrierfach geholt.

Vor allem Durk kommt auf die sich aufbauende Synthesizer-Weirdness nicht gerade überzeugend. Der Kerl ist ein nüchterner Geradeheraus-Charakter, kein Cactus Jack-Psychedeliker, entsprechend verloren steht er da. Kali Uchis oder James Blake fügen sich besser und natürlicher in die schwallenden Vibes ein, auch Wizkid und Toro Y Moi wirken eigentlich wie genau die richtige Besetzung für ein trippiges R'n'B-Schweben.

Am Ende werden trotzdem zwei Dinge nicht ganz klar: Wer ist Don Toliver eigentlich und was will er überhaupt? Das Album dreht sich wie die Vorgänger um Herzschmerz und Partys. Toliver wirkt eher wie ein in sich gekehrter, ruhiger Typ, ein bisschen wie ein Nerd. Sein ganzes Liebes-Gesäusel klingt stimmlich korrekt, kommt aber ganz bestimmt nicht von Herzen. Und die Stimmung, für die "Love Sick" geht, kann sich auch auf nichts weiter als "benebelt" einigen. Ja, die Musik von dem Kerl ist ein Vibe. Sie hat die Klangfarbe, die Textur, die Übergänge. Aber in all dem Rahmen ist ein weiteres Mal erschreckend wenig Bild versteckt.

Trackliste

  1. 1. LoveSickness
  2. 2. Let Her Go (feat. James Blake)
  3. 3. Leave The Club (feat. Lil Durk & GloRilla)
  4. 4. 4 Me (feat. Kali Uchis)
  5. 5. Go Down (feat. TisaKorean)
  6. 6. Time Heals All
  7. 7. Leather Coat
  8. 8. Honeymoon
  9. 9. Private Landing (feat. Justin Bieber & Future)
  10. 10. Slow Motion (feat. Wizkid)
  11. 11. Do It Right
  12. 12. If I Had (feat. Charlie Wilson)
  13. 13. Company Pt. 3
  14. 14. Bus Stop (feat. Brent Faiyaz)
  15. 15. Cinderella (feat. Toro Y Moi)
  16. 16. Encouragement

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    Du hast es erfasst Yannik, Don Toliver ist overrated… ? Ich finde es ist von seinen drei das schwächste Album, aber Don hat dieses den Schwerpunkt auf R&B gelegt und Trap etwas in den Hintergrund gestellt. Und WTF, was ist an Lil Durks Verse schlecht… Der ist Mörder gut (Smurk)…
    Bewerte lieber weiter Musik von Post Malone oder Kanye oder auch Chris Brown voreingenommen und nicht objektiv…