laut.de-Kritik
Jenseits des künstlerischen Niedriglohnsektors.
Review von Artur SchulzEr hat schon was Schnurriges an sich, dieser unorthodoxe Veröffentlichungs-Rhythmus des Donald Fagen. Seit 1982 veröffentlicht er im Schnitt exakt ein Album pro Jahrzehnt. Jetzt ist es wieder so weit, und dann die Enttäuschung beim Blick auf das Back-Cover: nur neun Tracks bietet er an! Aber wenn das Ganze dann eindeutig dem Prinzip Klasse statt Masse huldigt, hält der Amerikaner natürlich alle Trümpfe fest in der Hand. Mehr noch: meisterlich umschreibt am besten, was er 2012 auf "Sunken Condos" präsentiert.
Funk-Grooves sind bei "Slinky Thing" angesagt. Das reißt vom ersten Beat an mit. Bereits hier verbindet Fagen künstlerischen Anspruch mit Eingängigkeit, die aber nichts mit schablonenhaften Pop- und Soul-Formeln gemein hat. Von Anfang an ist durchgehende Spannung beim Zuhören garantiert, wenn sich die auf einer satten Drum-Basis fußende Nummer dank einer Vielzahl an schillernden Facetten erweitert und immer höher wächst.
Ähnlich gelagert ist die Vorgehensweise für "I'm Not The Same Without You", doch hier mit gänzlich anderen Vorgaben inszeniert. Donald belebt das Genre des klassischen Philly-Sounds neu. Die oft zu üppigen Streicher der Marke Barry White, The Three Degrees oder O'Jays bleibt draußen vor. Die Leichtigkeit der Philly-Beats treffen hier auf ein kontrast- und farbenreiches Arrangement.
Die Lust am Tanzen schimmert stets durch, doch spielt Fagen von jeher in der Upperclass-Liga, und hat nichts mit den Abgründen einer Großraumdisco gemein. Der Track strotzt geradezu vor lässiger, unaufgeregter Uptempo-Eleganz. Eine später auftauchende Mundharmonika übt sich in willkommener songdienlicher Zurückhaltung. Passgenau eingefügte Jazzsprengsel runden den positiven Höreindruck entgültig ab.
Ähnlich beseelt hat zuletzt nur Garland Jeffreys auf "The King Of In Between" den Schritt in die schwarzen Musikschuppen der Siebziger gesetzt. Wie mitreißend und kraftvoll dieses Genre auch heute noch auftrumpfen kann, beweist Donald 2012 auf gleichfalls beeindruckende Weise. Ein fein austarierter Rockpop-Appeal erhält immer seinen Freiraum. Fagen arbeitet stets jenseits des künstlerischen Niedriglohnsektors. Intelligente, immer wieder überraschend auftauchende Jazzelemente tragen ebenfalls ihren Anteil zur Aufwertung bei.
Produktion und Klangbild bereiten Hand in Hand einen großartigen Ohrenschmaus. Die Detailversessenheit Fagens klingt nie anstrengend und ermüdend, sondern zelebriert transparent angelegte Fülle. Trotz aller Vielschichtigkeit und zum konzentrierten Zuhören zwingenden Aufbaus: die Lockerheit bei der Umsetzung geht nie verloren. Messerscharfe Gitarrenläufe überlassen hochklassigen, nach Aufmerksamkeit winkenden Licks gern neidlos die Bühne, die elegant schwellende Wurlitzer-Orgel bereitet den Teppich für Breaks und Einschübe, die Vibraphon und Piano immer wieder einstreuen.
Ein Cover erlaubt sich Altmeister Fagen, und das fügt sich nahtlos ein ins Gesamtkonzept des Albums: Isaac Hayes'"Out Of The Ghetto" bekommt ene knackige Frischzellenkur verpasst und erfreut sich hörbar an den willkommenen Vitaminspritzen. "Planet D'Rhonda" erlaubt sich für die Einführung einen kurzen Streifbesuch bei George Bensons "On Broadway", bevor der Song seine Reise in die Eigenständigkeit antritt.
Mehr als nur eine Prise Steely Dan ist natürlich auch dabei. Jon Herington (Gitarre) und Freddie Washington (Bass) sind altgedienten Fans natürlich ein Begriff, und The Steely Dan Horns zählen ebenfalls zum Inventar. Die neun Tracks entstanden in einem Zeitraum von rund zwei Jahren, dennoch strahlt das Gesamtpaket Homogenität aus. Weit mehr als nur funky Beiwerk: die souligen Background-Vocals aus den klangvollen Kehlen von Carolyn Leonhart und Catherine Russel.
Genießen, genießen, diese Platte wie einen selten genossenen Tropfen wertschätzen! Die Flasche nicht zu schnell leeren: denn bleibt Fagen seinem Rhythmus treu, ist Nachschub nicht vor 2020 zu erwarten.
2 Kommentare mit einer Antwort
Tolle CD! Absolut eigenständige Musik und super produziert. Schon bei den ersten Takten weiß man mit wem man es zu tun hat. Ich kenne kaum einen Künstler, der so eine Mischung zwischen Komplexität und Lässigkeit hinbekommt. Einfach genial!
2023 und imm noch kein neues Album. Hoffe da kommt noch was...
*immer