laut.de-Kritik

Erstaunliches Shoegaze-Comeback nach 30 Jahren Schlaf.

Review von

Welches Geheimnis blubbert bloß in diesem Shoegaze-Genre, dass alle wichtigen Vertreter aus den 90er-Jahren, als dieser neuartige Sound aufkam, nach jahrzehntelangem Koma wieder mit neuen frischen Alben daherkommen als wäre keine Zeit vergangen? Angefangen von My Bloody Valentine – die einmal passenderweise den Song "We have all the time in the world" coverten – kehrten auch Bands wie Ride oder Slowdive nach 20 Jahren Pause mit fabelhaften neuen Alben zurück.

Die Drop Nineteens aus Boston haben sich gar 30 Jahre gegönnt, um mit "Hard Light" wieder heftig zu strahlen. In Europa (heutzutage) vielleicht weniger bekannt als die gerade genannten Acts, galten sie sowieso als der amerikanische Ausreißer in einer überwiegend britischen Szene und veröffentlichten mit ihrem Debüt "Delaware" (1992) ein stilprägendes Werk, in dem sie den Shoegaze rauer und rockiger interpretierten.

Der Hit "Winona" oder ihre Cover-Version von Madonnas "Angel" sind getragen von einer schwebenden Lässigkeit und schaukelnden Melancholie, die mit Alt-Rock und Grunge-Elementen spielen und die Band in die Nähe von Pixies, Sonic Youth oder Dinosaur Jr. rücken. Dennoch spielten Drop Nineteens in ihrer eigenen Liga und sie spielen dort wieder mit den jetzigen neuen starken Songs: Immer noch fasziniert der bittersüße warme Wechselgesang von Paula Kelley (die regelmäßig schöne Solo-Alben veröffentlichte) und Greg Ackell, den "Köpfen" der Band. Die elf neuen Tracks sind mal getränkt in wabernden Reverb-Schleifen mit starken My-Bloody-Valentine-Anleihen ("Rose With Smoke"), sie singen mit Leichtigkeit die catchy Chorus-Welten alter Hits wie "Winona" ("Scapa Flow" oder "Tarantula") oder sind ein kühles Nicken in Richtung alter Heroen wie Pixies ("A Hitch").

Dieses Revival und diese Revitalisierung einer Band, die einst für Blur Tour-Support war und für die andererseits Radiohead Vorband waren, beweist einmal mehr, dass solches Name-Dropping keine Rolle spielt. Es wäre für die Drop Nineteens ein Leichtes gewesen, alte Rechnungen zu begleichen oder alte Soundstrukturen wieder aufzuwärmen, aber "Hard Light" strahlt zwar hell, aber nicht harsch auf alte Zeiten – alles ist hier eingebettet in Zärtlichkeit.

"Zeit ist von entscheidender Bedeutung" ist das wiederholte Mantra des titelgebenden hypnotischen Openers, der sanft beginnt und dann anschwellt als würde man den Lautstärkeregler langsam hochdrehen: Es ist der Sound eines Weckers nach einem langen Schlaf und dem erneuten Aufwachen in der (Musik-)Welt. "Hard Light" ist damit das erstaunliche wie endlos vielfältige Comeback einer unterschätzten und untergegangenen Band, das neuen Generationen das Glück bringt, sie wieder ins richtige Licht zu rücken

Trackliste

  1. 1. Hard Light
  2. 2. Scapa Flow
  3. 3. Gal
  4. 4. Tarantula
  5. 5. The Price Was High
  6. 6. Rose With Smoke
  7. 7. A Hitch
  8. 8. Lookout
  9. 9. Another One Another
  10. 10. Policeman Getting Lost
  11. 11. T

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