laut.de-Kritik
Der Sommer ist noch nicht vorbei!
Review von Olaf Schmidt"Und kaum dass ich einmal nicht müde bin / ist der Sommer schon wieder vorbei", sangen Element Of Crime vor zwanzig Jahren auf ihrem Album "Die schönen Rosen". Diesem Gefühl des entgleitenden Sommers kann man wenig entgegensetzen. Umso schöner, wenn in so einer Zeit eine Platte erscheint, die es trotzdem versucht. Dub Inc. hätten ihr neues Album sicherlich auch zwei Monate früher veröffentlichen können, entschieden sich aber bewusst für den Herbst. Und wer sagt, dass klassischer Roots-Reggae nicht ebenso gut zu bunten Blättern wie lauen Sommernächsten passt? Zumal die Franzosen oft eine Spur Melancholie in ihre Songs mischen.
Über die letzten zehn Jahre hat sich der Siebener aus Saint-Étienne im Départment Loire einen Ruf als ausgezeichnete Live-Band erspielt. Das macht sich auf "So What", dem mittlerweile sechsten Album der Band, bezahlt. Man bekommt zwar, was man erwartet. Aber wir reden hier über Reggae mit Einsprengseln aus anderen Musikrichtungen und nicht über Avantgarde-Math-Metal. Dub Inc. präsentieren 14 neue Songs aus einem Guss, mit zwei Sängern, etlichen Gästen, genug Abwechslungsreichtum und drei verschiedenen Sprachen.
Bei "Grand Périple", dem energetischen Opener, hat man sich einige Bläser ins Studio geholt. Die veredeln dann später auch noch zwei weitere Stücke - und zwar so punktuell, dass sie mehr als ein reines Gimmick sind. Dub Inc. haben ein echtes Händchen dafür, musikalische Elemente gezielt und songdienlich einzusetzen. "Comme De L'Or", eine zurückgelehnte Ballade mit melancholischem Unterton, gewinnt sehr durch den Geiger Ludovic Lantner. Der Mann drückt diesem Song seinen ganz besonderen Stempel auf. Wenn er nicht gerade Reggae-Platten aufwertet, spielt er im L'Orchestre National De Lyon. Hoffentlich laden ihn Dub Inc. zukünftig öfter mal ein.
Zu den Stärken der Band zählen die zwei Keyboarder , die im Hintergrund für spannende Verzierungen sorgen und ihre Instrumente phasenweise Reggae-untypisch einsetzen. In "Triste Époque" zum Beispiel taucht eine kleine Melodie auf, die man eher im Synthiepop erwarten würde. Der französische Siebener hält sich tempomäßig dort etwas zurück und sinniert: "Mais comment rester cool quand le monde débloque?" Eine berechtigte Frage. "Fêlés" überrascht dann mit den ersten sinnvollen Dubstep-Elementen, die ich jemals irgendwo gehört habe und macht inhaltlich auf Party.
Apropos Texte: Die schwanken zwischen politischer Message und Feierei hin und her. Als Söhne von Immigranten, die ein besseres Leben suchten, haben sie dazu einiges zu sagen. "Exil" beschreibt das Dilemma, in dem sich Einwanderer stets befinden, geprägt von der Kultur ihres Herkunftslandes und auf der Suche nach einer eigenen Identität in der Wahlheimat. Die Lösung, und da sind Dub Inc. wieder ganz beim Reggae: Unity! In die gleiche Kerbe schlägt "No Matter Where You Come From".
In ihrem Sound funktioniert das schon mal. Französisch, englisch und auch etwas arabisch reichen sich die Hand, "Maché Bécif" stellt mit seinem sanften orientalischen Vibe gleich das Highlight der Platte dar. In dieser Form muss man sich um die französische Reggae-Institution keine Sorgen machen.
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