laut.de-Kritik
Pralle Pop-Kollektion mit bunten Clips und Interviews.
Review von Michael SchuhKein Drehbuchautor hätte das Skript besser konzipieren, kein Regisseur das Happy End emotionaler illustrieren können. Wahrscheinlich nicht einmal Tränendrüse James Cameron. Es geht um die Rückkehr einer Pop-Legende: Duran Duran sind wieder wer, endlich. Nach langen, zehrenden Trennungstagen back in Originalbesetzung (ja, alle drei Taylors!), gerade gingen Tickets für ihr erstes gemeinsames Konzert seit 1985 in London innerhalb von viereinhalb Minuten weg. Die Fans der Glamour Boys sind also sprichwörtlich 'hungry like the wolf', und genau diesen Appetit stillt "Greatest", eine pralle Kollektion an offiziellen Clips, gut versteckten Spezial-Versionen ("easter eggs"), vier Interviews und eine DVD-Rom-Sektion.
Aus Birmingham zogen sie einst aus, ähnlich wie Ozzy Osbourne, nur hatten Nick Rhodes, Simon Le Bon und die Herren Andy, Roger und John Taylor wohl die Antithese von Fledermaus-Rock im Sinn: New Romantics nannte man um 1981 die synthetische Ausrichtung der New Wave-Bewegung, und da gehörte es quasi zum guten Ton, geplusterte Reiterhosen zu tragen, wie uns Simon Le Bon im Video zu "Planet Earth" noch einmal überzeugend vorführt.
Unglaublich daher, dass noch im selben Jahr das innovative Clip-Meisterwerk "The Chauffeur" entstand, in dem Regisseur Ian Emes ein erotisches Treffen von Frauen-Vamps in einer Tiefgarage inszeniert. Auch wenn die Story dabei eher weniger fundiert daher kommt, macht die zeitlos coole s/w-Bildästhetik einem Anton Corbijn bereits alle Ehre. Hedonismus pur und in Farbe bietet dagegen "Girls On Film" (in zwei Versionen) auf: weibliches Schlamm-Catchen, Schampus und sogar Eiswürfel, die nackte Nippel aufrichten (deswegen und aufgrund anderer Brüste wohl FSK ab 16!).
Oder "Rio": Die Band auf hoher See, pinkene Miniröcke und lila Kajal-Make Up inklusive. So kennen wir Duran Duran. Immer schon waren sie frivoler als ihre britischen Kollegen von Depeche Mode, hitsicherer als The Human League und in Sachen Videodrehs reisefreudiger als beide zusammen.
Denn selbst wenn man heute über Videos wie "Hungry Like The Wolf" oder "Unions Of The Snake" schmunzelt, die mit belanglosen Dschungel- bzw. Wüstenabenteuern aufwarten, und man den weißen Sakkos über Buntfaltenhosen in "Save A Prayer" eher ablehnend gegenüber steht; Fakt ist, dass Duran Duran damals als modische Ideengeber für die gesamte Textilindustrie fungierten und ihren zahlreichen Epigonen immer um mindestens ein Jahr voraus waren.
Die Megahits "Wild Boys" (Band an Windmühlen gekettet) und "The Reflex" (Live-Video) sind Pflichtprogramm, eher unbekannte Pophymnen wie "New Moon On Monday" (1983) entdeckt man mit Erstaunen. Als Stargast auf "Greatest" ist Roger Moore zu nennen, der im Bond-Song "A View To A Kill" auf den Eiffelturm hoch ballert, während der Duran-Frontmann ein bisschen posen darf: "My name is Bon, Simon Le Bon". Ende der 80er, als zwei Taylors schon raus waren, paddelte das Duran-Hitschiff in ruhigeren Gewässern, ausgenommen natürlich "All She Wants Is" und "Notorious".
Im Jahr 1996 endet die Videographie leider, wobei angenommen werden darf, dass für das '99er Flop-Album "Pop Trash" erst gar kein Clip gedreht wurde. Von den Interviews ist das aus dem Jahre 1990 am interessantesten, als sich die Band mit den Neuzugängen Cucurullo (git) und Campbell (dr) vor neuen Erfolgen wähnt, die zumindest mit dem "Liberty"-Album noch nicht eintreffen. Cucurullo, der braungebrannte Bodybuilder vom "Pop Trash"-Booklet, trägt zu jener Zeit übrigens noch eine heiße 80er-Mähne zur Schau.
Abgerundet durch eine schöne Galerie-Navigation ist "Greatest" in Umfang und Inhalt eine schöne Retrospektive geworden, selbst wenn es ärgert, dass Bild und Musik oftmals nicht synchron zueinander ablaufen. Live kriegen die alten Heroen das ja hoffentlich noch hin. Um das Happy End nämlich perfekt zu machen, muss ihr Comeback-Album 2004 endlich erscheinen und die Band auch hierzulande Konzerte geben. Mein Lippgloss liegt bereit.
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