laut.de-Kritik

Flieg nicht so hoch, kleine Adler-Möwe!

Review von

Vor ungefähr dreieinhalb Jahren sind Eagle*Seagull ein ganz großes Versprechen gewesen. Wie die Faust aufs Auge passte die Band aus Nebraska zu dem damals grassierenden Hype um groß arrangierten Indie-Rock von Bright Eyes bis Arcade Fire. Doch mit dem Konkurs ihres Hamburger Labels Lado verschwand auch die Band trotz großer Gegenliebe schnell wieder von den Konzertbühnen. Das gleichnamige Album gibt es seitdem zum Schleuderpreis.

Songschreiber Eli Mardock war dennoch auch in der Folgezeit immer wieder für Solo-Konzerte nach Europa gekommen, um ein zweites Album artig in Aussicht zu stellen. Wer dabei dachte, Eagle*Seagull hätten nach dem verpassten Durchbruch mit zwei ausgestiegenen Mitgliedern auch ihre Maßstäbe zurückgeschraubt, irrt gewaltig. In seiner opulenten Song-Architektur und einer Hymnenhaftigkeit auf Biegen und Brechen stellt "The Year Of The How To Book" das bereits entwaffnende Debüt nämlich noch einmal locker in den Schatten.

Nur ist der Band mit derartig hochkonzentriertem, aufgeblasenem System-Pop leider auch die einstige Leichtigkeit von rasant abfahrenden Songs wie "Photograph" etwas abhanden gekommen. Ziel war offenkundig, noch vor Arcade Fire selbst deren dritten Blockbuster herauszubringen. Und zwar am besten noch ohne Füllmaterial. Man könnte auch sagen, dass in "The Year Of The How To Book" genau so viel verkrampfte Überambition steckt wie im zweiten Album von Get Well Soon.

So werden Gitarren, Geigen und Klaviertupfer nach den bewährten Schlüsselreizen zunächst nacheinander aufgeschichtet und gen Ende der Songs Stück für Stück abgetragen, bis Mardocks pausenlos mit einem imaginären Win Butler ringende Stimme verstummt. Punktlandung. Bei voller Geschwindigkeit wird zudem als Ausdruck schierer Ideenarmut hyperventiliert und gejodelt, was das Zeug hält.

Nichts anderes sind die vielen schalen Oho- beziehungsweise Uhu-Chöre, zu denen ein Himmel voller Geigen so schön passt. Einzig dynamischere Songs wie das zackige "The Boy With A Serpent In His Heart" und das vom Piano angetriebene "The Coming Of The Plague" haben eher Wolf Parade und die ebenso pophistorischen Gefilde des Glam-Rock als entlastende Rerenzen.

Auch diese Songs sind nicht mehr als die passablen Fußnoten einer glänzenden Album-Fassade, die siegessicher den nächsten Indie-Konsens ausruft, noch bevor die Leute überhaupt darüber abgestimmt haben. Darum möchte man dieser Adler-Möwe am liebsten hinterherrufen: Flieg nicht so hoch mein kleiner Freund.

Trackliste

  1. 1. You’re The Reason Why I’m Afraid To Die
  2. 2. I’m Sorry But I’m Beginning To Hate Your Face
  3. 3. You Can’t Call Yourself A Secret
  4. 4. I Don’t Know If People Have Hated Me, But I Have Hated People
  5. 5. Ignorance Or Transcendence
  6. 6. The Year Of How To Book
  7. 7. The Boy With A Serpent In His Heart
  8. 8. 20,000 Light Years
  9. 9. We Moke Like Turtles Might
  10. 10. I Don’t Believe In Wars, But I Do Believe In Uniforms
  11. 11. The Coming Of The Plague
  12. 12. Thanks To All Who Do Not Me

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