laut.de-Kritik
Der charmanten Hausmannskost fehlt zu oft die Würze.
Review von Dennis RiegerBereits nach elf Sekunden umhüllt einen die einzigartige Stimme Mark Oliver Everetts. Mehr als jene Stimme, eine Akustikgitarre und später eine dezente Streicherbegleitung benötigt Everett auf "Time" nicht, um einen einmal mehr zu berühren. Gleichzeitig entspannt und dringlich, melancholisch und optimistisch klingt der 61-Jährige auf dem von der Vergänglichkeit handelnden Opener.
Wer aufgrund des Albumtitels glaubt, es handele sich bei "Eels Time!" um ein prototypisches Eels-Werk, liegt in einer Hinsicht richtig und in einer falsch: Tatsächlich bekommt man auf dem fünfzehnten Longplayer der Indie-Heroen wenig zu hören, was man nicht sehr ähnlich bereits auf vielen der Vorgängeralben hörte. Andererseits irrt man sich, wenn man glaubt, das Verhältnis zwischen Uptemposongs und Balladen auf "Eels Time!" sei ähnlich ausgewogen wie auf "Wonderful, Glorious", dem wohl repräsentativsten Album der Band. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf ruhigen Songs, den die Rampensau gebenden Dog Faced Boy bekommt man nicht zu hören. Insofern lockt auch das Cover, das einen die Faust reckenden und barfuß um sich tretenden E zeigt, auf eine falsche Fährte.
Mit "We Won't See Her Like Again" beweist Everett einerseits, dass ihm hinsichtlich melancholischer Midtempo-Halbballaden weiterhin kaum jemand das Wasser reichen kann. Andererseits kann man gar nicht anders, als den durch Everetts Falsett, einen gesampelten Frauenchor und Glockenspiel ein wenig zu schablonenartigen Eels-Song mit ähnlich instrumentierten vergangenen Großtaten wie "The Medication Is Wearing Off" vom frühen Opus magnum "Electro-Shock Blues" zu vergleichen. Und hier zieht "We Won't See Her Like Again" trotz seiner Klasse den Kürzeren.
"Eels Time!" ist dann am besten, wenn E sich etwas traut, der Hausmannskost unübliche Würze hinzufügt. Im groovigen "Goldy" überraschen die Eels mit post-punkiger Baritongitarre und trippiger Keyboardbridge. Zudem beweist die gekonnte musikalische Einbettung des schrulligen Textes, dass einem Mark Oliver Everett auch aus dem Telefonbuch vorsingen und dabei authentisch wirken könnte. In "Goldy" rezitiert E zwar keine Telefonnummern, lässt sich aber nach der wenig ertragreichen Online-Partnerinnensuche, bei der er nur eine nach Furry-Fans Ausschau haltende Dame fand, von seinem Goldfisch trösten (rein platonisch, versteht sich ...). Albern? Sicher! Aber auch äußerst spaßig.
Auch die beiden weiteren flotteren Songs "If I'm Gonna Go Anywhere" und "Lay With The Lambs" reißen mit Ohrwurmpotential und Gast(backing)sänger Tyson Ritter mit. Ersterer Track holt mit seinem Refrain und seinen Ethno-Backingvocals zur ungewohnt großen Geste aus, zweitgenannter erinnert nicht nur durch seine Klangästhetik, sondern auch durch seinen augenzwinkernd-misanthropischen Text an die Eels zur Jahrtausendwende.
Leider verbrät Everett die beiden besten Balladen bereits zu Beginn. Danach folgt zu viel Hausmannskost ohne Würze. "Song For You Know Who" handelt definitiv nicht von einem Bösewicht aus rowlingscher Feder. Ob er von Everetts Vater oder einer verflossenen Liebschaft handelt, bleibt indes unklar. Insbesondere in der deutlich schwächeren zweiten Albumhälfte vermisst man die instrumentale und lyrische Bandbreite der goldenen "Daisies Of The Galaxy"- und "Souljacker"-Tage.
"Let's Be Lucky" beendet das Album versöhnlich. Im mit Bläsern angereicherten Intro wähnt man sich in einem Beirut-Song. Nachdem E einmal mehr Lyrics der Marke "Ich bin immer noch hier" zum Besten gegeben hat, gönnt er den Bläsern ein eineinhalbminütiges Outro, das man so – Überraschung! – noch nie auf einem Eels-Album gehört hat.
Der fünfzehnte Longplayer der Aale ist durchaus ein (leicht) überdurchschnittliches Indie-Album – aufgrund früherer Eels-Standards aber ebenso wie der Vorgänger eine kleine Enttäuschung. Abseits der zu vielen Filler erfreut Everett auch diesmal mit seiner seltenen Gabe, nicht nur Songs über tröstende Goldfische, sondern auch solche mit Ethno-Backingvocals und Bläseroutros gut klingen zu lassen. Angesichts dessen wünscht man sich, dass sich E beim nächsten Mal wieder mehr aus der Komfortzone wagt – auch wenn es dort zugegebenermaßen recht kuschlig ist.
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