laut.de-Kritik

Ihr wollt einen Osman? Ihr kriegt einen Osman.

Review von

"Ich mach' dies, das und jenes, bring' dieses Jahr ein Release, so wie jedes." Ja, Mensch, Eko ... gut möglich, dass genau da der Hase im Pfeffer liegt. Vielleicht sollte man einfach einmal eine Weile aussetzen und Ideen sammeln. Dann hätte man eventuell auch ein bisschen was zu erzählen.

Nachdem Eko Fresh mit "Eksodus" endlich, endlich das Album veröffentlicht hatte, das ich ihm vorausgegangenen Halbseidigkeiten zum Trotz gewünscht und immer zugetraut hatte, bestand doch eigentlich Hoffnung. Eko klang und agierte, als habe er sich und seinen Weg gefunden, sei mit sich im Reinen und habe vor allem Spaß an der Sache.

Genau diese tänzelnde Leichtigkeit geht "Deutscher Traum" nun wieder vollkommen ab. Eko lädt zwar gleich zum Auftakt zur "Old School Party" und präsentiert dort in Zitaten zahlreicher Hits seine umfassende Sachkenntnis der alten Hip Hop-Meister, wirkt dabei aber trotzdem einigermaßen lustlos und bestenfalls halb-motiviert. Am Beat liegts nicht: Der blubbert, passend zum Titel, funky-fröhlich über die imaginäre Tanzfläche.

Zum Glück zeigt Eko im darauffolgenden "German Dream" wieder etwas mehr Biss. Das Problem hier: Das "Quotentürke"-Thema ist langsam wirklich, wirklich durch. Egal! "Der berühmteste Kanacke" macht entweder auf ordentlich dicke Hose, oder er breitet zum einhundertersten Mal die olle, schon hundertmal heruntergebetete Story aus: vom Hungerleider, der sich und seinem Hund nur "Nudeln Mit Joghurt" auftischen kann, zum erfolgreichen Chartstürmer.

Wir wissen es langsam. Echt. Wir wissen um Ekos Nehmerqualitäten, um sein Talent zum Stehaufmännchen, sein Dasein als "Kampfschwein", um seine Pionierleistungen im deutschen Rap. Wir wissen, dass er durchaus Recht hat, wenn er behauptet: "Ohne mich wär' das Hip Hop-Ding doch langweilig." Ja, stimmt, wär' es. Aber nur immer wieder den eigenen Werdegang abzuspulen und seine Routine zu beschwören (die ihm ohnehin niemand absprechen möchte), wirkt irgendwann ein bisschen dünn.

Außer am Mikrofon hat Eko Erfahrung damit, wie es sich anfühlt, zwischen zwei Kulturen aufzuwachsen: Neben seinem MC-Werdegang das einzige Thema, das "Deutscher Traum" zu bieten hat. Auch darüber hat Ekrem Bora in der Vergangenheit bereits das eine oder andere Lied gesungen. Wirklich neue Erkenntnisse hat er diesmal nicht zu verkünden.

Mehr oder weniger gelungen beschreiben "Orient Express", "Doppelleben", "Alta" und "Wo Komm Ich Her (Deutscher Traum)" Außenseitertum, Entwurzelungsgefühle und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, die vermutlich jeder empfindet, der zwischen den Stühlen zweier Kulturen groß geworden ist und von beiden Seiten Vorbehalte, wenn nicht sogar Ablehnung erfahren hat.

"Ganz egal, wie reisch isch bin, das Gheddo bleibt in mir drin." Eine Erfahrung, die auch Sido gemacht hat, wie er in "Gheddo Reloaded" Seite an Seite mit Eko zum Besten gibt. Ich weiß gar nicht, ob ich mir die Mär vom Erfolg-haben-und-trotzdem-Straße-bleiben oder diese Art Versatzstück-Klischee-Beat schon häufiger anhören musste. Wenn ich noch ein einziges Klavier im Gewitter herumstehen sehe, weine ich mit dem Regen um die Wette, ich schwör'.

Vielleicht vergieße ich, wenn ich schon dabei bin, auch gleich eine Träne um den Gast: "Dieser Sido von gestern ist heute gestorben", informiert er selbst. Hätte er nicht dazu sagen müssen: Spätestens bei einer derart harm- und zahnlosen Darbietung stürzt sich der maskierte Bürgerschreck von einst verzweifelt aus dem achtzehnten Block-Stock. Sogar Farid Bang und Summer Cem kriegen die Früher-arm-heute-reich-Nummer in "GD 4 Life" ein wenig spannender hin.

Saurer als Sido stoßen mir von den zahlreich erschienenen Gästen nur noch die Kölschrocker von Brings auf, die mit dem zopfigen E-Gitarren-Gejodele von "Es Brennt" allerdings bestens harmonieren. Zehn Jahre nach dem Nagelbombenanschlag gedenken Eko und Brings dem Attentat in der Keupstraße. Rat- und Fassungslosigkeit klingen aus den Zeilen. Der Versuch, den Opfern eine Stimme zu geben ist sicher alle Ehren wert, die musikalische Umsetzung find' ich trotzdem schauderhaft.

"Ek, wir reimen schon ewig", beweihräuchert Samy Deluxe in "Fettsackstyle" seinen Gastgeber. Auf den bereits erwirtschafteten Lorbeeren ruht es sich offenbar immer noch am bequemsten, deswegen zitieren sich die beiden Altgedienten gleich durch ihr eigenes Repertoire. "Du nimmst Anabol, doch wir sind dir lyrisch überlegen." Vermutlich stimmt das sogar - bloß dass diese Nummer davon rein gar nichts zeigt.

Xatar droppt auf "Leichte Beute" seinen angeblich letzten Part aus dem Knast heraus. Auch, wenn man in seinem Fall nicht wirklich von Flow sprechen möchte: Der Kerl hat tatsächlich etwas Kantiges in der Stimme, das mir gut gefällt. Seine Labelschwester Ewa schaut für "Real Hip Hop" rein. Abgesehen davon, dass sie ungeniert "Hip Hop" auf "Make-Up" reimt (was sich in etwa anfühlt wie ein unter den Zehennagel gerammter Zahnstocher), passt ihr Oldschool-Style bestens auf den reduzierten Beat. Die Eier, so gestrig zu rappen, muss man schließlich auch erst einmal aufbieten.

Schon klar, dass man mit einer Kollaboration mit dem derzeit angesagtesten Moderatoren-Gespann Joko & Klaas vielleicht noch ein paar Fans abseits der eigenen Hood einsammeln kann. Leute, die sich allerdings diesen "U Bahn Ficker"-Song allen Ernstes mit Genuss anhören kann, möchte ich mir noch nicht einmal vorstellen. Zumal beide Gäste darin jeweils das tun, das sie am wenigsten können: Statt des erwiesenermaßen ganz passablen Sängers Klaas stimmt Joko die Hook an. Klaas dagegen ... rappt so, dass man, pardon, wieder einmal Mach Ones schönes Bild bemühen muss: mit einem Flow wie ein Würfel.

Um Welten, wenn nicht ganze Galaxien stimmiger erscheint da der Auftritt Sami Nassers in "Orient Express", auch wenn das Balladenklavier am Anfang klingt, wie aus Udo Jürgens' Jubiläumsgala gefallen. Der orientalische Gesang illustriert die Fremdheit, die Eko beschreibt, wenn er von der Suche nach den eigenen Wurzeln erzählt: "Bruder, sag' mir: Was ist Heimat?"

"Doppelleben" skizziert ebenfalls "das ganz normale Leben eines Deutschtürken". Einer Ansammlung von Vorurteilen den Warnhinweis "Achtung: Ironie!" voran zu stellen, macht sie allerdings auch weder witziger noch leichter auszuhalten: ein Track wie ein Mario Barth-Witz. Gleichen Inhalt mit anderem Gast gibts noch einmal in "Alta". "Ihr wollt einen Osman? Ihr kriegt einen Osman." Och, nö. Ich hätte lieber eine zweite Portion "Hallus & Muffins", serviert von DCVDNS.

Tatsächlich hatte ich auf einen Nachschlag zu "Eksodus" gehofft. Dieses halbgare Sammelsurium hier wärmt statt des guten Eindrucks allerdings ein ganz anderes, älteres Gefühl auf: den Unmut darüber, dass Eko Fresh es eigentlich um so vieles besser könnte. Der schmeckt ganz wie früher: bitter.

Trackliste

  1. 1. Old School Party
  2. 2. German Dream
  3. 3. Gheddo Reloaded feat. Sido
  4. 4. Real Hip Hop feat. Schwesta Ewa
  5. 5. Leichte Beute feat. Xatar
  6. 6. Orient Express feat. Sami Nasser
  7. 7. Fettsackstyle feat. Samy Deluxe
  8. 8. Nudeln Mit Joghurt
  9. 9. Doppelleben
  10. 10. Es Brennt feat. Brings
  11. 11. Was Lan?!
  12. 12. GD 4 Life feat. Farid Bang & Summer Cem
  13. 13. Hallus & Muffins feat. DCVDNS
  14. 14. U-Bahn Ficker feat. Joko & Klaas
  15. 15. Alta feat. MC Hassan
  16. 16. Wo Komm Ich Her (Deutscher Traum)

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