laut.de-Kritik
Astreine R'n'B-Songs und makellose Arrangements mit Chart-Potenzial.
Review von Kai KoppWarum wird "It Can Happen To Anyone" von deutschen Medien so sträflich vernachlässigt? Diese Frage muss unter musikalischen Gesichtspunkten unbeantwortet bleiben, denn es gibt schlicht und ergreifend nichts, was die mediale Nichtbeachtung rechtfertigt. Natürlich finden wir stärkere und schwächere Titel auf dem Album. Das ist normal, doch mit einer Ausbeute von fünf erstklassigen Songs, von denen mindestens drei das Zeug für eine Singleauskopplung besitzen, sollte man doch eigentlich zufrieden sein.
Der grandiose Opener "Simple Things" spricht diesbezüglich Bände. Er erzählt von der exzellenten Kompositionskunst Withers' und von ihrer kraftvollen und ausdrucksstarken Stimme (der Voraussetzung, um aus hervorragenden Playbacks potentielle Hits zu machen). Und er nimmt nicht zuletzt die Geschichte des gesamten Albums vorweg, das von einer exzellenten Produktion, astreinen R'n'B-Songs, makellosen Arrangements und von gewaltigem Chart-Potenzial berichtet.
Alle Titel komponiert Withers entweder alleine oder im Team mit ihrem Produzenten und Arrangeur Toby Gad, der bereits Ricky Martin, Enrique Iglesias und BEP-Sängerin Fergie ("The Dutchess") in die Charts begleitete. Zu den absoluten Highlights zählen der schon erwähnte Opener "Simple Things", eine powergeladene 6/8-Soul-Ballade, die an die großen Erfolge von Aretha Franklin und Gladys Knight anknüpft. Das ebenso großartige "Heartstrings" beackert mit dezenten Philly-Streichern das Urban Soul-Feld.
"Get Your Shoes On" schielt mit spannungsreichem Songaufbau, fettem Bass und Ohrwurmrefrain intensiv auf den Dancefloor. Dass sie sich in diesen Gefilden auskennt, bewies Elisabeth Withers ja bereits 2002 mit den Singles "Rising" und "Emotions", die sie unter ihrem Pseudonym Elle Patrice in den Top Five der Billboard-Charts platzierte.
"Wind Beneath My Wings" widmet sich mit seinem Gospel-Charakter den Ursprüngen des R'n'B, "Sweat" punktet mit einer Experimentierfreudigkeit, die die Grenzen kommerzieller Verträglichkeit überzeugend ausleuchtet. Fünf gute Gründe, die einen Kauf von Elisabeth Withers Debüt rechtfertigen! Eingerahmt werden diese Argumente von Songs, die sich nicht mit einem Füllmaterial-Dasein zufrieden geben, dafür sind sie zu gut.
Lediglich "Be With You" hält den Standard des restlichen Albums nicht. "Wenn ein Song so anfängt, wird er nix", denke ich mir, und was sich schon nach fünf Sekunden abzeichnet, bestätigt sich im weiteren Verlauf leider vollumfänglich. Dass ich mich mit dieser Meinung komplett gegen die Labelchefs stelle, die "Be With You" als erste Single auskoppeln, ist mir bewusst, tangiert mich aber nur peripher.
Trotz oder wegen dieses, je nach Meinung, Ausrutschers oder Single-Hits, übertrifft "It Can Happen To Anyone" alle Erwartungen an ein Albumdebüt. Und nicht nur das: Elisabeth Withers platziert sich damit in direkter Reichweite und auf Augenhöhe der ganz Großen des Genres. Beyoncé, Mariah Carey, Alicia Keys und Konsorten dürfen sich schon mal ganz warm anziehen.
54 Kommentare, davon 53 auf Unterseiten
Schade dass sie null promotet wird... ihre Stimme ist wirklich erstklassig, aber 5 Sterne für das Album ist dann doch sehr übertrieben, dafür ist zu viel R'n'B-Standard drauf. Die genannten 5 Titel sind tatsächlich die Highlights, aber die restlichen Songs sind total durchschnittlich