laut.de-Kritik

Schwarze Soundwolken und galoppierende Pferde.

Review von

"Fear, a feeling, is it real? So nostalgic too, it just puts the dark on you". Mit der eröffnenden Zeile bringt Emma Ruth Rundle ihr viertes Soloalbum "On Dark Horses" auf den Punkt: Alles fühlt sich irgendwie unwirklich, träumerisch an, der Schatten diffuser Ängste schwebt als zentrales Motiv über den Stücken, verbunden aber mit einer gewissen Sehnsucht, einem Schwelgen, das nostalgischen Gefühlen nicht unähnlich ist.

All das zeichnete auch den Vorgänger "Marked For Death" aus, dennoch schuf Rundle mit "On Dark Horses" keine Wiederholung dessen. Zwar sind die behandelten Themen ähnlich bedrückend, bei der Umsetzung schwingt jedoch weniger Selbstzerstörung und dafür mehr positive Wärme mit. Das liegt zum Teil am erweiterten Band-Setup. Introvertierte, ruhige Momente gibt es nach wie vor, es dominieren allerdings breite, kraftvolle Soundwände. Oder besser gesagt Soundwolken: Jeder Song hat Momente, in denen dichte Klangschwaden einrollen. Diese gehen auf das Konto von Drummer Dylan Naydons, wenn er seinen Schwerpunkt von wuchtigen Tom-Schlägen auf lang nachhallende Cymbals verlegt, aufgeplustert durch Gitarren, die mit so viel Delay und Hall ausgestattet sind, dass sie vor allem als emphatische Texturen dienen, und nicht mehr als melodische Komponente.

Diese Gitarren und auch der stoisch mändernde Bass Todd Cooks verleihen "On Dark Horses" viel von seiner Düsternis, aber auch einen Sinn von Geborgenheit. Die Riffstrukturen, die sich unter den Effektladungen von "Control", "Dead Set Eyes" und "Light Song" verbergen, erinnern in all ihrer Heaviness an die Vibes von Black Sabbath, teilweise sogar deutlich härteren Doom-Acts. Allerdings spielen Rundle und ihr Gitarrenpartner Evan Patterson die Parts so weich, dass man nicht im Traum darauf käme, das Ergebnis als Metal zu bezeichnen. Vergleiche zu Slowdive sind angebracht, oft klingt "On Dark Horses" auch, als habe Lana Del Rey Sólstafir infiltriert.

Statt sich vollends in pedalfixierten Shoegaze-Orgien zu verlieren, haucht Rundle aber jedem der acht Tracks klar identifizierbares melodisches Leben ein. Zwischendurch, wie im dynamisch mustergültig gesteigerten "You Don't Have To Cry", mit sanfter Clean-Gitarre, hauptsächlich mit ihrer Stimme – der poppigen Ader des Albums. Und sie differenziert die einzelnen Tracks nicht nur auf melodischer Ebene, sondern oft auch im Ausdruck. Im Refrain von "Control" entgleist sie passend zur kreischenden Gitarre in hohe Lagen. Bei "Dead Set Eyes" resigniert sie über der Zeile "They say: 'What doesn't kill you, will just keep you alive' / And what doesn't kill you?". "Light Song" markiert dahingehend einen Höhepunkt: Dort singt Rundle im Duett mit Patterson. Der in der Pressemitteilung bemühte Vergleich zu June Carter und Johnny Cash passt zwar musikalisch nicht wirklich, ist in punkto Stimmlage aber tatsächlich eine gute Referenz. Während Rundle über dem Song schwebt, gründelt Patterson mit sonorer Bass-Stimme darunter. So öffnet sich der Song sowohl nach oben als auch in die Tiefe gefühlt unendlich weit.

So man denn auf Melancholie steht, gerät "On Dark Horses" gerade dank seiner vielen Schichten zu einem Allround-Album. Es hat die eingängigen Melodien, um abzuschalten und einfach in die Musik abzutauchen. Es hat die nötige Schwere, um den poetischen, aber wenig frohgemuten Texten Rundles gerecht zu werden. Es hat musikalische (Ra-)Finesse gepaart mit eindrücklichen Arrangements, die Atmosphäre-Geeks glückliche Säufzer abringen wird. Hierin bettet Rundle so viele durchdachte, stimmungsvolle Details, dass "On Dark Horses" zu mehr als 'nur' einem klanglichen Erlebnis wird. "In "Darkhorse" gibt es diese große Post Rock-Bridge, die klingt als würden Pferde um dich herumrennen", erklärt sie etwa. Probierts aus – bei Timecode 3:53 galoppieren sie los.

Trackliste

  1. 1. Fever Dreams
  2. 2. Control
  3. 3. Darkhorse
  4. 4. Races
  5. 5. Dead Set Eyes
  6. 6. Light Song
  7. 7. Apathy On The Indiana Border
  8. 8. You Don't Have To Cry

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5 Kommentare mit 19 Antworten

    • Vor 6 Jahren

      Gehört 5/5!
      Gehört für mich entfernt zu der Heiligen Dreifaltigkeit Chelsea, Anna und Zola!
      Dachte ich mir schon beim Vorgänger und wird hier locker bestätigt. Also ab sofort Heilige Vierfaltigkeit!

  • Vor 6 Jahren

    Gehört 5/5
    Das Album ist einfach großartig und wäre definitiv eine 5 wert gewesen. Ich habe da überhaupt keine Kritikpunkte.

  • Vor 6 Jahren

    z.T. gehört, bisher 5/5.

    "Marked for Death" davor eigentlich viel zu schwer(mütig) für den geregelten Alltag, daher ähnlich wie Chelseas "Abyss" mehr so ein Knüppel für den Ausstieg aus selbigem und "heimlicher Favorit" für die eher düsteren Tage, an denen Mensch nicht vorwiegend funktionieren muss.

    Das bisher gehörte kann indes auch gut und gerne zur alltäglichen musikalischen Begleitung avancieren.

  • Vor 6 Jahren

    Das Album wird mit jedem Mal hören besser. Eher 5/5. Wunderbare Stimme.

  • Vor 3 Jahren

    Engine of Hell gerade auf einer längeren nächtlichen Autofahrt gehört.
    Das perfekte Ambiente dafür, so dass eine objektive Wertung eigentlich nicht möglich ist, oder gerade deshalb vielleicht doch?
    Auf jeden Fall wäre eine Bewertung unter 4 Sternen für mich sehr unverständlich!
    Ich freue mich jedenfalls sehr darauf dieses wunderbare Stück Musik noch einmal in leichter Rotweinstimmung zu hören (ja schrecklich Klischeehaft, mir egal)….ach was schwafel ich rum, bin Fangörl 5/5 haut die Rezi raus!

    • Vor 3 Jahren

      Sie und Marissa Nadler scheint ja nicht nur ne Bekanntschaft via Label zu verbinden inzwischen, so, wie die beiden die jeweils neue Platte der anderen (mit)bewerben bzw. gar kollabieren.

      "On Dark Horses" ist vom songwriting und den Arrangements her schon mein bisheriger Liebling von Emma, "Marked for death" aufgrund sehr persönlicher zwischenmenschlicher Verbindung dazu geht mir aber emotional immer noch ein Stück näher.

      Kumpel von mir mit ner eigenen Internetradioshow in UK hat beide neuen Platten der beiden Musikerinnen vorab hören können und meinte, dieses Mal wirkten die "Rollen vertauscht - während Marissa die (E-)Gitarre mehr in den Vordergrund gerückt haben soll geht's wohl bei Emma diesmal deutlich sanfter und zurückgenommen fragiler arrangiert zu.

      Bin jedenfalls sehr hart angefixt für beide LPs nach dem Austausch mit ihm gestern Abend, Marissa Nadler schon so 2013/2014 über o.g. DJ-Kumpel kennengelernt und bis auf die manchmal ein wenig zu spirituell schwebenden Texte manches Mal halte ich sie für eine mindestens ebenso fähige Musikerin und Songschreiberin wie Emma.

      Hab natürlich auch dein "Zugeständnis" an mich im Trolltrottel-Thread zur Kenntnis genommen. Freut mich, dass es deine Erwartungshaltung in meine Richtung dort kurzfristig aufzubrechen wusste. Versuche ja ebenfalls, öfter Mal alteingesessene Fehden von hier auf einen erneuten Prüfstand zu holen, weiß aber, dass das noch ausbaufähig ist und es so ganz ohne unterindividuelle Reibung ja auch einfach nicht original laut'sches "Muppets meet Feebles" wäre. ;)

    • Vor 3 Jahren

      Fehlerkorrektur is mir zu stresig zu nebenwirkungsbedingt ungewöhnlicher Postingzeit, sollte aber alles klar sein. :smokool:

    • Vor 3 Jahren

      Ist das hiermit gesichert, dass Sündi Karsten ist?

    • Vor 3 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 3 Jahren

      Nee @ Gleep...

      Dachte auch wirklich ne Zeitlang an manbi und bin auch letztlich gar nicht so 100% überzeugt, ob er es nicht vielleicht doch ist, aber nach (teilw. zum Glück temporärem) Club- und Sozialtreffpunktesterben hab ich irl in den letzten 2 Jahren auch wirklich wieder mal zu unterschätzen angefangen, wie sehr polarisierend ich durch meine Art (insb. in (sub)manischen Phasen) auf meine Mitmenschis wirken kann. Und auch wenn ich's ja eigentlich schon lange gewohnt bin, dass es zumindest bei Echtlebenkontakt immer so oder so ähnlich laufen wird, sind meiner Empfindung nach ja stets nur die Allerwenigsten, die sich um den Negativpol sammeln, von mir dort aktiv, gewollt u.v.a. mit Nemesisauftrag auf Lebenszeit dorthin geschubst worden. Also, das hofft more balanced me zumindest.

    • Vor 3 Jahren

      Hier und da hab ich mich auch mal über ellenlange, verschachtelte
      Doc Ergüsse echauffiert
      (und musste sie trotzdem immer lesen, also selbst schuld)
      ABER hier und da habe ich mir auch keinen abgebrochen eben diese Fähigkeiten auch zu würdigen.
      Für Manback gehalten zu werden empfinde ich allerdings als tiefgreifende Beleidigung und wäre ich nicht ein neuer User mit vollkommen neuer Ausrichtung würde mich das nachhaltig verstimmen.
      Am Ende des Tages ist es ja auch gar nicht soooo falsch auf einer Musikplattform über Musik zu reden.
      Deshalb danke für Marissa Nadler, die hatte ich nicht auf dem Schirm.
      Wird natürlich erstmal in eine Playlist mit AvH, Chelsea, Emma, Zola und Kathryn Joseph gesteckt.
      Mal sehen wie sie sich dort schlägt.

    • Vor 3 Jahren

      Nicht allein aus dem Grund, da mir die bodenlos abgründige Hurensöhnlichkeit gerade nochmal nebenan vom Original ins Gedächtnis gerufen wurde, möchte ich dafür an dieser Stelle aufrichtig um Entschuldigung bei dir bitten.

      Ist bekannt, dass ich nicht in jedem Moment meines Lebens unmittelbar Herr meiner eigenen sich selbst manchmal deregulierenden Hirnchemie bin, das rechtfertigt aber solch paranoides Vorgehen gegen Neuankömmlinge und/oder Wiedergänger mit anderem Accountnamen und komplett optimierter Ausrichtung aber für sich allein genauso wenig wie die Tatsache, dass manback ja wirklich fast 6 Jahre und darüber hinaus punktuell in wechselnder Regelmäßigkeit insbesondere an meinen Kommentaren mit neuen Fluchtaccounts am ansaugen war. Aus narzisstischer Kränkung, hier nicht allein von mir mehrfach in seiner Anfangszeit gesagt bekommen zu haben, dass wer mit antisozialem Arschlochverhalten auf andere zugeht für gewöhnlich eben auch nur antisoziales Arschlochverhalten entgegengebracht bekommt... Zumindest, wenn auf Starterseite auch in keinem der vielen Auseinandersetzungen so was wie Einsicht zu spüren war oder ein aufrichtiges "Ich könnte und kann auch anders" spürbar wurde.
      Aber das führt schon wieder zu weit und selbst bei eingebildeter oder tatsächlicher temporärer Kombi aus beidem könnte und sollte ich da etwas feinfühliger mein Umfeld abklopfen, bevor wirklich mal unnötigerweise was reißt, was dann nicht mehr so schnell zusammenwächst...

      ONTOPIC: Kathryn Joseph war mir wie so vieles Grandioses schon mal vom grundguten Paramann hier über die Theke zugeschoben wurde (wie übrigens auch ERR solo und alle ihre Projekte abseits der Red Sparowes...)

      Hab jetzt leider gar nicht richtig mitgekriegt, ob dir Marissa Nadler insgesamt oder nur die News, dass da demnächst fast zeitgleich mit Emma Ruth Rundle was albentechnisch neues ansteht, bisher unterm Radar durchflog, aber falls Du ganz frisch mit ihr bekannt bist würde ich zum Einstieg das erste ihrer Alben auf Sacred Bones Rec., "July" von 2014, empfehlen.
      Der Titeltrack ist nicht allein wegen des Refrains und dessen harmonischer und lyrischer Außerweltlichkeit in meiner "TOP OAT 25 Einzeltracks oder Singleveröffentlichungen für die einsame Insel"-Kompilation sehr weit oben im Rang, nicht jedoch zu früh oder spät im zugehörigen Mix am auftauchen und mitschleifen... ;)

    • Vor 3 Jahren

      „July“ also….ok erledigt (was waren das nur für Zeiten als man für Musik noch aus dem Haus gehen musste)

      Offtopic
      Entschuldigung selbstverständlich angenommen!
      Wenn auch diese gar nicht nötig gewesen wäre, auch ich hab mich schließlich hier nicht immer richtig verhalten.
      Schön dass manch einer hier dann doch mal seine „Schubladen“ neu sortiert.
      OnTopic
      Kathryn Joseph hab ich auch nur durch den Paraman entdeckt, der gehört definitiv zu den Usern hier dessen Musiktipps ich blind folge.
      Das ist ja der Idealfall in den Laut‘schen Kommentarspalten, wenn zwischen abstrusen Psychospielchen, uralten Insidern, stumpfesten Beleidigungen und blindem jubelpersern hin und wieder eine Perle durchschimmert.

    • Vor 3 Jahren

      Uh, hier hab ich "Titeltrack" geschrieben wo "Opener" hin gesollt hätte, sorry... Aber einen Titeltrack hat die "July" bei genauerer Überlegung auch gar nicht, denke ich gerade, jedoch "Drive" als Opener, was eigentlich gemeint war von mir, hätte dich bei deinen oben angerissenen musikalischen Vorlieben sehr wahrscheinlich auch komplett für sich selbst stehend und ganz ohne Empfehlung von mir gleich mal eingewickelt.

      Bin echt gespannt wie du's findest, hör gerne auch mal in die vielen anderen Alben von ihr (auch vor Sacred Bones als Label) rein, wenn dir Klangfarbe der "July" überraschenderweise doch nicht zusagen würde... so ein "düstereres Schimmern" - wenn auch mit deutlich weniger witchcraft und unberechenbarer Abgründigkeit kreiert als von Anna - wirst du mE wohl mehr auf der 2016er "Strangers" finden :)

    • Vor 3 Jahren

      Es ist hundertprozentig mein Ding und mit Attributen wie „düsteres Schimmern“ bewirbst du die Folgewerke auf maximal effektive Weise.
      Bin auch sehr motiviert dir hier eine umfassendere Meinung zukommen zu lassen aber das wird dann ein wenig dauern!
      Denn dies ist kein kühles Pils sondern ein Single Malt den man nur zu besonderen Anlässen herausholt.
      Und dann niemals mehr als (höchstens) eine viertel Flasche (am Ende des Tages schiesst man sich dann doch noch mit Trollinger ab und hört dabei alte NIN) :LOL: