laut.de-Kritik
Im auditiven Einklang mit der Natur.
Review von Johannes JimenoEin kohärenter Symbolismus zieht sich durch die Cover der Synthpop-Exzentriker Empire Of The Sun: Zunächst transformierte der erhabene Traum zum blendenden Eisberg. Dieser beginnt im grün floralen "Two Vines" nun zu schmelzen. Die blühende Natur sei das Vorbild während der Produktion gewesen. Die Platte soll Menschen über schwere Zeiten hinweg helfen, wie uns Nick Littlemore im Interview erklärt.
Und der geschmeidige Opener "Before" schiebt auch gleich unaufgeregt Eisflächen zur Seite und lässt einzelne Blumen zum Vorschein kommen. "High And Low" prescht mit dem typischen Trademark-Sound vor: Discobeat, atmosphärische Synthies und ein absolut mitsingtauglicher Refrain. In eine ähnliche Richtung geht "Friends", das zunächst durch Autotune abschreckt, aber spätestens beim flotten Houseteppich, der pfiffig gesetzten Bridge und den lässigen Synths begeistert.
Die zweite "Two Vines" trägt die Message des Albums in den Lyrics: "And all because we trust two vines / Slowly growing right into your ears / Show me all the life / Lead us in your wind tonight". Ausgerechnet der Titelsong strahlt diese Wärme zwar nicht aus, sondern gibt sich verschroben mit verzerrter Stimme, knarziger Gitarre und schleppendem Beat. Dennoch bietet er eine gelungene Abwechslung.
Der Rest des Albums scheint dem Leitspruch des Heraklit 'Physis kryptesthai philei - Die Natur versteckt sich gern' zu folgen, zeigt er sich reduziert und im Detail mit warmherzigen Melodien: Das an Fleetwood Mac erinnernde "There's No Need" zum Beispiel mit aufbauschender Struktur, kleinen Elektro-Spielereien und schwelgerisch sensiblem Chorus. Oder die Pop-Romanze "First Crush", die sich mit 80s Synths und einer mysteriös ins Mikrofon wispernden Japanerin an den Hörer schmiegt. Das funky kantige "Keystone" oder auch das seichte "Lend Me Some Light" fallen dagegen etwas ab.
Mit Balladen tat sich das australische Duo bisher schwer, stehen "Without You" und "Keep A Watch" doch für eine Überdosis Zucker. "To Her Door" mit Lindsey Buckingham macht es dieses Mal etwas besser und schrammt nur knapp am Kitsch vorbei. Gegen Ende überrascht ein Instrumental, das eine Fortführung der exotischen Melodie aus "Country" vom Debütalbum darstellt. Ein schönes Stück. Coolness zeigen die Eroberer des Sonnenimperiums in "Zzz" mit fresher Tonfolge und nonchalanter Strophen - die kleine Micki Mouse-Einlage hätte aber nicht sein müssen. Das darf nur Scooter.
Versöhnlich, harmonisch und tröstend zugleich: "Way To Go" ist der prachtvollste Lotus unter allen Songblüten. Wie man es auch dreht und wendet, diese in Musik gegossene Umarmung lässt triste Tage erträglich erscheinen: "Doesn't matter what's tripping you out, there's ways to go/This is where we get carried away enough to start again". Der Song ist David Bowie gewidmet und von zwei Mitgliedern seiner "Blackstar"-Band mitproduziert.
Die Natur hat aber nicht nur Bezauberndes zu bieten, sondern auch etwaige Abstrusitäten - "Digital Life" ist so eine. Ambient und orientalische Töne formen sich zu einem giftigen Fungus, der eine infinite, schmierige Quelle sprudeln lässt. Ganz furchtbar. Kleine ästhetische Missgeschicke wie das juvenil naive "Ride" mit Vocodereinlagen oder das etwas zu süßlich geratene "Welcome To My Life" sind da schon eher verkraftbar.
Nichtsdestotrotz: "Two Vines", die Metapher von sich zwei umschlingenden Reben, ist auf musikalischer Ebene geglückt. Der kohärente, weil reduzierte Charakter mit schüchternen Elementen und harmonischen Melodien ergeben das feinste Album von Steele und Littlemore. Krasse Chartsbanger wie "Walking On A Dream" oder "We Are The People" findet man zwar vergebens, sie würden aber auch nicht recht in den Gesamtkontext passen.
2 Kommentare
"findet man zwar vergebens"
Keine Ahnung, was diese Band hat. Aber irgendwas hat sie.^^