laut.de-Kritik
Elektronik is the new Wandergitarre.
Review von Michael SchuhNotizen macht sich der Gute auf dem Cover seines ersten Soloalbums. Damit er nichts vergisst. Das hatte Erlend Oye auch nötig, schließlich reiste der Kings Of Convenience-Sänger für sein erstes Soloalbum durch zehn Städte, in denen jeweils ein Song für "Unrest" entstand. Raus aus Norwegen und rein in die Metropolen, nirgends verharren. Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen. Kennt Oye jetzt alles.
Trotzdem ließ er den Notizblock außerhalb der Fotosession fürs Cover wohl eher stecken, denn sein Laptop hatte er ja eh mit auf Reisen, getreu dem Motto: Elektronik is the new Wandergitarre. Oyes Faible für Synthie-Pop kommt indes so überraschend nicht, sang er doch schon die Röyksopp-Hits "Remind Me" und "Poor Leno" ein, während das letzte Kings Of Convenience-Album "Versus" statt leiser Gitarren groovende Elektro-Remixes listete. Dennoch: Die Popgeschichte schreibt Erlend mit "Unrest" nicht um, auch wenn dieser Tage eine schier undurchdringliche Phalanx an hofierenden Presseorganen genau dies glauben machen möchte.
Gewiss, unser kleiner Passepartout hat ein Händchen für Melodien und weiß seine sanfte Stimme gekonnt und für seine Verhältnisse variationsreich einzusetzen, aber das ist bekannt. Vielmehr fragt man sich, wieso er von Turku bis New York jetten musste, wenn das Ergebnis so klingt, als hätte er es am Stück in Oslo aufgenommen. Seltsam. Auf einigen Kompositionen reflektiert Oye die unmerkliche Beiläufigkeit des Alltagslebens dennoch in brillianter Weise. Allen voran das mit warmen Italo Disco-Sounds gespickte "Sheltered Life" und die mit cooler Bassline ausgestattete, schmachtend-smoothe Single "Sudden Rush". Oye scheint dann am besten, wenn er versucht, Gegensätze herzustellen.
Wenn sein introvertiert wirkendes Organ Kontrapunkte erfährt, wie in "Ghost Trains" die kühlen Beats des New Yorker Metro Area-Mannes Morgan Geist. Auch Minizzas Sequencerläufe in "The Athlete" verbreiten in Verbindung mit Oyes mehrstimmiger Larmoyanz eine wohlig unangestrengte Atmosphäre. Sobald die Gegensätze aber verschwinden, tritt eine ebenso unangestrengte Belanglosigkeit ein. Im R'n'B-lastigen "Every Party" singt Oye so gelangweilt, als habe er nach der Studioarbeit in Barcelona so schnell wie möglich wieder ins katalanische Nightlife verschwinden wollen.
Die mit Kilogram erarbeitete Soft-Ballade "A While Ago And Recently" macht den Op:l Bastards-Split nur noch trauriger und die Abschlussnummer hätte auch auf einer B-Seite von Schneider TM ihr verdientes Plätzchen gefunden. Vielleicht spiegelt das mit Höhen und Tiefen ausgestattete musikalische Tagebuch Oyes aber auch nur die Zerrissenheit des Künstlers auf der Suche nach Qualität wider. Auf Konzerten soll er neben AC/DC-Songs auch schonmal Whams "Last Christmas" intonieren ...
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