laut.de-Kritik
Bittersüßes Wiedersehen.
Review von Lena BayerFaber sagt "Addio". Es soll vor allem ein Nimmerwiedersehen vergangener Zeiten und Zustände sein. Erst verarbeitet, dann verabschiedet er Eifersucht, Depression und Lisa. Nicht aber das provokative, rebellische Texten. Fabers drittes Album ist auch ein Wiedersehen mit seinen sizilianischen Wurzeln und seiner Liebe zur italienischen Sprache, die er bereits auf seinem Livealbum "Orpheum" mit zwei, hier mit gleich vier Songs wundervoll würdigt.
"Addio" erscheint vier Monate nach dem ursprünglich geplanten Release, nachdem gesundheitliche Gründe den Schweizer zwangen, erst die geplante Vorab-Tour vergangenen Oktober, dann die Veröffentlichung des Albums zu verschieben. Als kleinen Trost bekamen Fans bereits damals ein Exemplar mit den 13 Songs auf Vinyl.
"Ich bin ganz allein / Ganz allein mit dem Gefühl allein zu sein" ("Du Kriegst Mich Nicht Zurück") haucht Faber nach der wiederkehrenden "Ouverture" und es scheint unmöglich, dass dieses Album mit einem "alles wird gut" ("Andrà Tutto Bene") enden wird. Bereits hier liefert er den wohl bewegendsten Track der Platte, wenn er über Eifersucht und Depression singt, die ihn niemals wieder einholen sollen: "Hast nicht den Krieg gewonnen / Nur die erste Schlacht / Machst mich verrückt / Doch du kriegst mich nicht zurück".
Der Schmerz zeigt sich auch bei "Ayurveda". Doch wer Faber hört, möchte sich auch etwas empören. "Sie Ist Wieder In Der Stadt" ist einer dieser provozierenden Songs: "Sie ist kein Pick-me-Girl, aber fickt die Welt / Wie im Parkverbot, wird heute abgeschleppt", inklusive der Weisheit der Eltern: "Wifey sein ist besser als drеißig und allein". Kein Pick-me-Girl, aber "Leon": "Wie der Löwe, wegen stark". Darin besingt Faber bissig die Realität eines Catfish: "Mach' jede Einkaufsmeile unsicher, Maria, hilf mir, ich bin überfällig / Nur im Sternzeichen Jungfrau, denn mein Bodycount ist siebenstellig" und "War schlecht in der Schule und bin kein Mathematiker / Aber kläre Nummern, wie ein Mathematiker / Ich reiß' auf wie der Himmel / Genieß' die Sonne, leb' den Traum".
"Addio" verbindet Pop mit Folk, Faber ist Cantautore und Liedermacher. Besonders schön klingen die Orient-Einsprengsel bei "Ayurveda". Es fällt aber auf, dass die markanten Balkan-Beats der Vorgängeralben weniger werden, stattdessen kommen vermehrt Synthies zum Einsatz, es wird stellenweise elektronischer. Für diese Akzente dürfte der niederländische Sänger und Produzent Thomas Azier gesorgt haben, der in der elektronischen Popmusik daheim ist und das erste Mal mit dem Schweizer arbeitete. Immer wiederkehrend ist auch ein Chor, mal der "molto cantabile" aus Luzern, mal einer mit Kollege Dino Brandão oder Schwester Madlaina Pollina (Steiner & Madlaina).
Die zweite Hälfte des Albums beginnt mit der Fortsetzung der Geschichte um Lisa und Julian ("Ihr Habt Meinen Segen"): "Billig heißt immer auf Kosten von der Qualität / Denkst du dir zufrieden, wenn du hier im Bioladen stehst / Lisa soll sich ficken, die weiß nicht, was die an dir hat / Überleg, wann hat die sich das letzte Mal bei dir bedankt". Sie kann "Julian, den Küchenphilosophen nicht mehr hören". Die Folge: "Im Bett herrscht kalter Krieg / Und in der Küche dicke Luft / Sie ist auf Coaster er auf Twitter / Und draußen ein Gewitter". Zeit zu gehen, unterstrichen mit der schmerzgeplagten Stimme und den dramatisch inszenierten Streichern: "Und es zerbricht jedes Glück" ("Ihr Habt Meinen Segen Pt. 2").
Parallel zu den vier vorab erschienenen Singles veröffentlichte der Schweizer Clips, die in Gänze den Kurzfilm "Addio oder die unvermeidliche Tragödie der Arroganz" ergeben. Das ist nicht das einzige Filmprojekt: "Der Junge, dem die Welt gehört" heißt der Film von Robert Gwisdek (Käptn Peng), in dem Faber den jungen Musiker Basilio spielt, der auf der Suche nach der "wahren Poesie" ist. Der Film spielt auf Sizilien, dem Geburtsort seines Vaters Pippo Pollina. Mit ihm singt er "ein kleines sizilianisch-schweizerdeutsches Requiem", wie er sagt und liefert ein zartes Duett, inklusive Gitarre und Chor. Perfetto, wie das einnehmende "Odiarsi Un Po'".
Das vorläufige Happy End besiegelt Faber mit dem leichtfüßigen Italopop von "Andrà Tutto Bene". Damit endet ein Album voller Kontraste, das bewegt und überrascht, nur selten langweilt, häufig überfordert, aber auch süchtig macht, jedes noch so kleine Wortspiel und jeden kleinsten Einsprengsel zu entdecken.
2 Kommentare mit 16 Antworten
Glückstag. Wanda und Faber releasen gleichzeitig und beide Alben sind sehr zu empfehlen (wenngleich mir Faber mit seiner Spannweite und dem bösen Humor noch besser gefällt). Tolles Album, schöne Rezi, danke.
Zu überbordend und penetrant aufgetragen um mich abzuholen. Musik für leicht zu beeindruckende Zeitgenossen, die Goethe für unheimlich deepen Shit halten. 3/5
Keine Musik für BRD-Hasser wie dich. Das wissen wir.
So ein schönes Kompliment haste mir noch nie gemacht ♥
BRD-Hasser, Hamas-Versteher, Putin-Versteher - so viel in einer Person.
Lösch dich, oder überdenke deine faschistische Einstellung.
Mich linksextremen Randgruppen mit den dort üblich verbreiteten Meinungen beugen? Nicht mehr in diesem Leben, Junge.
Wenn du Rezensent bei laut de werden willst, schreib doch einfach ne Bewerbung.
Als jmd, der nicht auf'm Laufenden ist, kann wer was verlinken, wo der Ragi sich Hamas- und Putin-verstehend geäußert haben soll?
"-Versteher" als Beleidigung an irgendwas dranzuhängen ist auch so eine der dümmlichsten Entwicklungen der letzten Zeit.
Da gibt’s nichts zu verlinken. Das sind die gewöhnlichen Fantasien, denen man sich in der radikalen Mitte so hingibt.
@Tooli: True. Das als Begriff zu verwenden, spielt ungefähr in der gleichen Liga wie die abwertende Verwendung von „Gutmensch“
Es ist jetzt also "linksextrem" die Unterstützung eines Appartheidsystems, das ethnischen Säuberungen durchführt, zu kritisieren? Dann bin ich gerne linksextrem.
So ihr Schnuffels, zurück zum Thema, nachdem ihr euch alle den Agitspeichel weggewischt habt. Es ist albern, andere als leicht beeindruckbar abzuqualifizieren, wenn man selber etwas nicht so ganz kapiert oder goutiert. Über den Rest eures Wortwechsels ein Mantel des Schweigens.
Kennt einer die South Park Folge, in der Snobs einem neuen Trend folgend ständig in Rotweingläser furzen, um sich dann am Aroma zu erfreuen? In die Kategorie geht Ragisms Kommentar.
Ach, ist eben nicht leicht, diese Art des Vortrags, der Arrangements, der Aufmachung treffend zu beschreiben. Manche Musik schreit mich sehr penetrant an: "Respektiere mich als große Kunst!", und ihr geht dann schnell das nötige Understatement ab, um sowas wie Klasse zu haben. Muß da an "The Last Dinner Party" denken.
Ist ne Mischung daraus und einem selbstzufriedenen Startup-Menschen, der mich mit extrem durchschnittlichen Anekdoten und Referenzen ins Staunen versetzen will, und bei dem sich zehn Minuten schon wie ein halber Tag anfühlen.
So, und weil die Musik trotz all dessen nicht totaler Mist ist und ich sie nicht völlig hassen kann, geb ich gern 3/5.
Ach ja, ich glaube, in Rotweingläser haben sie nicht gefurzt in der Folge.
https://youtu.be/mxuwXczWQC0?si=-NymxWv_zH…
Hast Recht, sieht eher nach Weißweinglas aus.
Zankt Euch nicht. Gebt Euch einfach der Agenda hin. Und richtet Euch auf die kommende inszenierte Endzeit und das geplante Ende der Nachkommen von Shem.