laut.de-Kritik
Futter für Freunde des gepflegten Chaos.
Review von Kai ButterweckVon sieben veröffentlichten Studioalben grüßten sechs aus den Top Ten der amerikanischen Longplayer-Charts, vier davon erreichten gar die Pole Position: Wenn man sich die Statistiken anschaut, dann gehören Fall Out Boy zweifelsohne zu den erfolgreichsten Rockbands der letzten zwanzig Jahre.
Fünf Jahre nach der kontrastreichen Wundertüte "Mania" beglücken die Herren Stump, Trohman, Wentz und Hurley die Anhängerschaft mit ihrem achten Studioalbum. Die dramatisch pumpende Midtempo-Single "Love From The Other Side" machte im Januar den Anfang, gefolgt vom mit Nachdruck in Richtung Rock-Pop-Charts schielenden "Heartbreak Feels So Good".
Zwei Monate später hat der Fan nun auch den Rest des Werkes auf dem Tisch, von dem Sänger Patrick Stump sagt: "Es ist ein Album, das sich produktionstechnisch wieder an unseren Anfängen orientiert. Hätten wir nach 'Folie A Deux' keine Pause gemacht, sondern direkt ein weiteres Album nachgeschoben, dann wäre ein Album wie 'So Much (For) Stardust' wohl die Folge gewesen."
In der Tat spielen ausufernder Bombast und der permanente Wechsel zwischen hart und zart auch auf dem neuen Album der Amerikaner eine große Rolle. "Hold Me Like A Grudge" kommt mit zackigen Handclaps, einem "Another One Bites The Dust"-Basslauf und kurzen aber prägnanten Falsett-Einschüben im Refrain um die Ecke.
Poppig im Sound und hochgradig melodisch entzücken Fall Out Boy die Massen ("Fake Out"). In Iowa hängt der Himmel zweieinhalb Minuten voller Synthies, ehe eine verzerrte Wucht der blubbernden Entspannung den Garaus macht ("Heaven, Iowa"). Es folgen ganz viele "Ohohos" ("So Good Right Now") und sich dramatisch aufplusternde orchestrale Arrangements, die Erinnerungen an Puff Daddy, Led Zeppelin und eine hochhausfressende Echse wecken ("I Am My Own Muse").
Die von Chicago aus operierende Combo holt alles raus, bringt alles auf den Tisch und präsentiert ihren Fans das volle Programm. Da gibt's soundtechnisch nichts zu nörgeln. All die vielen Ausbrüche, Genre-Sprünge und Neujustierungen schälen sich satt, sauber und mit messerscharfer Präzision aus den Boxen. Was auf dem Ritt ins Klang-Wonderland allerdings weitgehend auf der Strecke bleibt, ist eine nachvollziehbare Struktur. Auch wenn es scheint, als würden alle Türen offenstehen: Man kommt irgendwie nirgends so richtig rein.
Vielleicht sind Fall Out Boy aber auch ihrer Zeit voraus. Vielleicht markieren Foxtrott tanzenden Emos ("The Kintsugi Kid (Ten Years)") und verwackelte VHS-Aufnahmen von Olivia Newton-John und Tone Loc, die gemeinsam zu poppigen Big-Band-Klängen die Hüften schwingen lassen, den Beginn eines neuen musikalischen Zeitalters. Innovativ und auch irgendwie spannend ist das auf jeden Fall. Ob es aber auch gut ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
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