FlowinImmo Et Les Freaqz - " Immoment"

"Zusteigen, bidde. Ich beam' Euch auf mein Raumschiff." Das scheint Immo direkt aus George Clintons Hangar entwendet zu haben - oder vielleicht hat ihm Mr. Parliament/Funkadelic auch gleich eins geschenkt. Ihm dürfte ob der in bester P-Funk-Manier kredenzten Hemmungslosigkeit die Begeisterung ins bärtige Gesicht geschrieben stehen.

Huldigte Immo bereits mit dem letzten Album der "Grenzenlosen Freiheit", ordnet er sich in Gesellschaft seiner Freaqz erst recht keinen Genre-bedingten Zwängen unter. Auf alles kacken und sich zugleich alles Untertan machen: Darin besteht, was schlicht und ergreifend als hohe Kunst des Entertainments zu werten ist.

"Nein, ich sing nicht gut, aber ich tus gern", verkündete einst ein Dendemann. Herr Wischhusen hält es mit den frühen Fantastischen Vieren: "Alles ist gut, das man gerne tut." Ob sonntagmorgenmäßig verknautschter Gesang ("Wir Sind Mittendrin"), ob tadellos servierte Rap-Parts ("Irre Real"), Immo verdient in jeder Hinsicht den wieder und wieder vorgebrachten Vergleich mit einem anderen großen Wahnsinnigen unserer Zeit.

"Dieser Mensch Immo ... er hat die Fähigkeit, zu fließen!" Gepaart mit enzyklopädischem Wortschatz, beneidenswerter Ausdrucksfähigkeit und einem unerschöpflichen Füllhorn, vollgepfropft mit Zitaten, wird Sprache in der Tat zur Waffe, und Immo zum größten Waffennarr von allen.

"Das wahre Wort wurde vom Stumpfsinn entmachtet / Der heilige Rap wurde als goldenes Kalb geschlachtet." Mehrfach durch den Fleischwolf gedreht entsteigt ein geschundenes Genre der Asche wie ein schillernder Phoenix, der mit einem einzigen Flügelschlag eingefahrene Strukturen über den Haufen wirft. Respekt dafür an die Freaqz, die aus synthetischen und organischen Sounds eine echte Einheit stricken, zu der der Wahnsinn in der Ecke anerkennend mit dem Kopf nickt.

Als sei es nie anders vorgesehen gewesen, leiten im "Urlaub Am Attersee" schunkelnde Volksmusik-Klänge eine schweinemäßig groovende ... ja, was eigentlich? ... Elektro-Rap-Funk-Rock-Nummer ein, mit deren schändlich schlechter Platzierung bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest sich die Fernseh-Nation wieder einmal selbst Humor- wie Geschmacksresistenz attestiert hat.

"Vogelfrei" gleitet Reggae in Ska-Rhythmen hinüber, während die Rap-Elektro-Chimäre "So Hell" über beliebige Tanzflächen marodiert. Dazu ein bisschen fluffigen 70er-Jahre-Softporno-Sound ("Retrofreaqz"), die "Bodenlose Frechheit" eines melancholischen Piano-Instrumental-Stücks, elektro-infizierten Pop mit Dancehall-Beat ("Manches Mal"), mal wehleidige, mal melodieselige Gitarren: Schubladen sind für Anfänger. Das hier ist eklektischer next level shit vom Durchgeknalltesten.

"Ich müsste und sollte, doch ich hab' kein Bock / Ich wüsste, was zu tun ist, doch ich hab' kein Bock!" Mit "Kein Bock" liefert Immo die überfällige Hymne aller Prokrastinierer: "Es gibt so viel zu tun, ich muss mich erst mal ausruhen." Das Rudel innerer Schweinehunde wedelt im latinogeschwängerten Rhythmus lässig zustimmend mit den Schwänzen.

Wenn ein wahrer Philosoph am Werk ist, darf der sich auch gerne wiederholen. Etliche Tracks sind von voran gegangenen Veröffentlichungen bereits bekannt, erfahren aber durch die Beteiligung geballter Freaqpower gekonnte Aufwertung.

Das Gift heißt in Zeiten der Finanzkrise mehr denn je Geld, Anlass für "Weltschmerz" gibt es nach wie vor, immer noch sind es "wenige Dinge, die uns am Leben erhalten", und die Zusammenarbeit mit Clueso geht ungebrochen "So Easy" von Hand und Stimmbändern, dass es eine Freude ist.

"Wie soll einem ein Licht aufgehen, wenn man beim kleinsten Geistesblitz die Fassung verliert?" Angesichts des Feuerwerks auf "Immoment" erscheinen ausgiebige Aaahs und Ooohs mehr als angebracht. Auch wenn man sich gelegentlich fragt, ob der zuständige Pyrotechniker a) alle Latten am Zaun und b) noch ansatzweise die Kontrolle über seine Schöpfung inne hat.

a) Keinesfalls. b) Ich schätze, er pfeift drauf.