laut.de-Kritik

Netter Indie-Elektropop? Von wegen!

Review von

Gut drei Jahre liegt es zurück, dass Foster The People mit "Pumped Up Kicks" den Sommer-Ohrwurm schlechthin landeten und ihr Debüt "Torches" einen fröhlichen, hitverdächtigen Elektropop-Song an den nächsten reihte. Die vorläufige Krone setzten der Erfolgsgeschichte zwei Grammy-Nominierungen in den Kategorien "Bester Pop-Song" und "Bestes Alternative-Album" auf.

So viel Begeisterung mündet oft in einer von zwei Möglichkeiten: Die Band bemüht sich, dem Debüt treu zu bleiben, oder experimentiert mit einem ganz anderen Sound. Für Foster The Peoples "Supermodel" gilt eher letzteres.

Die Veränderung beginnt bei den Aufnahmebedingungen: Nach dem Erfolg von "Pumped Up Kicks" klaubte Mark Foster mit seinen Bandkollegen Songs zusammen, die er über sechs Jahre hinweg geschrieben hatte. Dieses Mal arbeiteten sie konzentriert mit Produzent Paul Epworth (Adele) zusammen und bastelten gemeinsam in Studios in Marokko, Los Angeles und London.

Thematisch wendet sich das Album von der Unbeschwertheit des Debüts (ausgenommen natürlich "Pumped Up Kicks") ab, hin zur "hässlichen Seite des Kapitalismus", wie der NME in einem Interview zitiert.

Klingt zunächst nach leerem Promo-Gefasel. Solche Vermutungen zerschmettert aber der Opener "Are You What You Want To Be?" mit lässigen Gitarren-Riffs, die mit Einsatz der Vocals in ein afrobeatiges Wirrwarr aus Percussions, Drums und drängendem "Nanana"-Chor ausufern. Mit seinen Lyrics, die er wie bei einem Ritual vorträgt, setzt Foster ein erstes Ausrufezeichen: Sein Organ behauptet sich gegen den unruhigen Hintergrund und entlädt Wut und Irritation, die, wie Albumtitel und –cover, die Oberflächlichkeit der Gesellschaft anprangern.

In die Fußstapfen von Vampire Weekend steigen Foster The People dennoch nicht. Laut Band beeinflusste westafrikanische Musik "Supermodel", vor allem aber wollen sie sich von britischen Künstlern wie The Clash, The Kinks oder David Bowie inspirieren lassen. Die Parallelen halten sich in Grenzen, eine Erklärung für den im Vergleich zum Debüt auffälligeren Gitarren-Einsatz, der sich durch die ganze Platte zieht, bietet das schon.

So verabschiedet sich der Afrobeat nach dem Auftakt wieder und macht Platz für eine bunten Rundumschlag: Die eher banalen "Ask Yourself" und "Coming Of Age" enthalten alle Zutaten für verträumten Indie-Pop: Gitarre, Percussions, Drums und Synthies. Der auf Akustik-Gitarre reduzierte letzte Track "Fire Escape" nimmt Singer/Songwriter-Züge an und belegt, dass das Trio Effekthascherei für gute Songs nicht benötigt.

So verschroben wie der Titel "Pseudologia Fantastica" gerät das Hörerlebnis: Nach schleppendem Auftakt, in dem Foster munter zwischen hohen und tiefen Stimmlagen wechselt, bricht zunehmend ein Kuddelmuddel aus verzerrten Gitarren, elektronischem Flirren und Drums los. Ein A-Capella-Interlude ("The Angelic Welcome Of Mr. Jones") leitet zum nächsten Wandel über.

Der funkelnde Disco-Pop "Best Friend" fährt mit eindringlicher Bassline, Gitarren-Riffs, Bläsern und gepichtem Refrain alle Geschütze eines Hits auf. "Are you waiting to drink or are you waiting to drown?", " I've been searching for answers and it's questions I found." Kaum auf der Tanzfläche angekommen, halten in "A Beginner's Guide To Destroying The Moon" geballte Wut und Ungeduld Einzug, unter röhrenden Gitarren und unheilvollen, Sprechgesang-ähnlichen Passagen: "And we'll be crying for a leader to speak like the old prophets / The blood of the forgotten wasn't spilled without a purpose someone said."

Kurz vor Ende zaubern Foster The People das großartige "The Truth" aus dem Hut. Mark Foster erzählt im Interview mit der Time, seine Kollegen haben ihn überzeugen müssen, die elektronisch versetzte Piano-Ballade zu veröffentlichen, weil er es kaum ertragen könne, sie zu hören.

Nachvollziehbar: "Well, I've been accosted, the jury's been partial, but I won't surrender / To prove to you I won't lie under pressure of compromise / Well, an absolute measure won't change with opinion, no matter how hard you try.") Selbst einem Nicht-Betroffenen zieht es die Eingeweide zusammen, so schmerzlich trägt der Sänger die Lyrics vor, gepaart mit schrillen Backing-Vocals. Solche intensiven Pop-Momente hätte man nach "Torches" nicht erwartet.

Obwohl die Songs unterschiedliche Richtungen einschlagen, erscheinen sie doch wie eine Einheit. Vielleicht liegt das am wiederkehrenden Einsatz von Chorgesängen, die sämtliche Funktionen von sphärischem Beiwerk ("Goats In Trees") über catchy Chorus-Lines ("Nevermind") bis hin zum fragilen "Save Yourself"-Finalakt ("Fire Escape") erfüllen. Oder auch an Foster, der als fesselnder, kritisch nachdenklicher Erzähler auftritt und dessen Stimme – gemessen am Debüt - unvermutet viele Facetten entfaltet.

"Supermodel" ist überraschend vielseitig und organisch, toll produziert und manchmal erdrückend. Da erscheint die Aussage des Frontmanns gegenüber der Time, das Trio habe das Album nach seiner ersten Fertigstellung noch fünf Monate entschlackt, fast beunruhigend. Andererseits zeugt das vom songwriterischen Feingefühl der Band.

Zugegebenermaßen enthält die erste Albenhälfte Schwächen: Tracks wie "Ask Yourself" mögen etwas überflüssig sein und auf den psychedelischen Ausflug in "Pseudologia Fantastica" hätte man aus reiner Übersättigung an ähnlich klingenden Bands verzichten können. Ans Hitpotenzial des Vorgängers knüpfen Foster The People (absichtlich) nicht an. Stattdessen versetzen sie allen, die sie als netten Indie-Elektropop abtun wollten, einen beeindruckenden Schlag ins Gesicht.

Trackliste

  1. 1. Are You What You Want To Be?
  2. 2. Ask Yourself
  3. 3. Coming Of Age
  4. 4. Nevermind
  5. 5. Pseudologia Fantastica
  6. 6. The Angelic Welcome Of Mr. Jones
  7. 7. Best Friend
  8. 8. A Beginner's Guide To Destroying The Moon
  9. 9. Goats In Trees
  10. 10. The Truth
  11. 11. Fire Escape

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2 Kommentare

  • Vor 10 Jahren

    Besser als das Debut, erinnert mich fast schon an MGMT oder Broken Bells, nur leichter und jugendlicher. Hatte sie schon als One-Hit-Wonder abgestempelt und bin jetzt doch positiv überrascht. 3 Punkte sind voll OK. Wenn sie so weiter machen kann da noch was nettes rauskommen.

  • Vor 10 Jahren

    Mir gefällt es aus deutlich besser als der Vorgänger. Klingt gut, kein Lied das mich irgendwie nervt, stattdessen teilweise wirklich positiv überrascht. Nach all den durchwachsenen Rezensionen, bin ich froh es mir doch geholt zu haben. Für mich 4*.