laut.de-Kritik
Ohne Vocals: Weg vom Pop, zurück zum Beton.
Review von Martin TenschertObwohl Fritz Kalkbrenner bei bisherigen Studiowerken und auch bei Live-Auftritten mehrheitlich mit seiner kräftigen Stimme, Marke Wiedererkennungswert eines Elton John, auftrumpfte, legt er ganz kühn nun ein reines Instrumentalalbum vor. "Drown" wirft eben nicht den Rettungsanker 'Vocal' und ist somit, so nimmt man an, a priori dem Untergang geweiht. Producer-Know How sind in seiner Familie ja zweifelsfrei vorhanden, trotzdem war der eigene Stimmeinsatz immer so etwas wie ein Trademark seines Sounds.
Was den generellen Club-Kontext angeht, bleibt sich Fritz allerdings treu, vielleicht sogar noch mit einer Prise mehr Druck und Härte, da die Kompromissbereitschaft zu Vocal-Tracks und deren Strukturen ja weg fällt. "Enter" ist eher düster instrumentiert und baut auf einer klaren, treibenden Struktur auf, die mittels darüber tänzelnder Melodie an Dynamik gewinnt. Die Marschrichtung lautet definitiv: Techno in the House. Manch ein Sternekoch vertritt die Maxime, ein gutes Gericht dürfe nicht mehr als drei Zutaten enthalten, die natürlich modifiziert werden. Mit ähnlich reduziertem Ansatz geht auch Pauls Bruder vor: minimize to maximize.
Nummern wie "Burn" schlagen in genau diese Kerbe, hier tritt der geschraubte Lead-Sound zusammen mit den crunchy Claps in den Vordergrund. Selbst ein Vocal-Sample kommt zum Einsatz, Fastenbruch liegt in dem Fall jedoch nicht vor, denn das (ohnehin unverständliche) Sprachschnipsel wird lediglich als "Instrument" verwendet, die menschliche Herkunft untergeordnet. Die Namenswahl auf "Drown" mutet archaisch an ("Bleed"). Wenn man aber bedenkt, dass es um Menschheitsthemen geht, den sprichwörtlichen oder tatsächlichen Untergang, das Scheitern, oder wortwörtlich das Ertrinken, passen sie durchaus ins Bild.
Kalkbrenners Vergangenheit beim Fernsehen spielt hinsichtlich des Sound-Designs nach wie vor eine Rolle. Da werden Geschichten erzählt, oder es wird Raum für die eigene eröffnet ("#1"). Oder eben des Ravers Elysium in wahrlich endgültigen Stücken vom Format "Ride" erschaffen. Zumindest für die Dauer von 7.15 Minuten. Ein neues "Beau Mot Plage", sollte man sich ziemlich weit aus dem Fenster des Techno-Geschichtsarchivs herauslehnen wollen. Und dann eben wieder der Rückzug, weg mit den Trommeln, den Fanfaren, Aschermittwoch mit "#3" als Fahrstuhlmusik zur Ayurveda-Kur.
Der offensiv mutige Schritt, vokalen Ballast abzuwerfen, sich neu zu orientieren und aus der Komfort-Zone herauszuwagen, war ein Glücksgriff für Fritz Kalkbrenners Schaffen. Weg vom Pop, zurück zum Beton.
4 Kommentare
Eventuell höre ich mal rein. Musikalisch habe ich an Fritz Kalkbrenner nichts zu meckern, aber bei diesem merkwürdigen Electro-Gesang ergreife ich die Flucht. Deswegen finde ich auch Matthew Dear unerträglich.
Ist solide das ding. angenehm im hintergrund, tut niemandem weh. schöne entspannung zwischen vocal-geballer von diversen Rappern.
wiederum ein Meisterwerk von Fritz,bin immer wieder erstaunt von ihm wie er es schafft die Tracks so zu gestallten das sie hörbar sind.Ein grosses Vorbild und Mentor zugleich
Tut nicht weh trifft es wohl am besten. Kann dem nicht viel abgewinnen, wirkt sehr belanglos, wenn auch soweit gut produziert und nicht unbedingt schlecht.