laut.de-Kritik
Weltreise mit futuristischen Elektrobeats, Hip Hop und Soul.
Review von Simon LangemannAuf seinem Erstling begibt sich Elektroproduzent Fulgeance auf eine musikalische Weltreise und stellt dem Hörer ausgewählte Städte und Landschaften unseres Planeten vor. So gesehen handelt es sich bei "To All Of You" um ein astreines Programmmusik-Album.
Der junge Franzose tourte in den letzten Jahren ausgiebig um den Globus, sammelte viele Eindrücke und gibt diese nun auf einem aufregendem Debüt musikalisch wieder. Dabei widmet er jeden Track einem der bereisten Orte und verpasst seiner elektronischen Instrumentalmusik dadurch zahlreiche verschiedene Gesicher. Wie schon der Albumtitel verrät, bedankt er sich bei den vielen Musikliebhabern aus aller Welt, die seine bisherigen Auftritte unterstützten und würdigten.
Anders als die Geschichte vielleicht vermuten lässt, setzt Fulgeance bei seiner durch und durch computergesteurten Musik nie auf Techno-Beats. Stattdessen dienen Hip-Hop und Soul als rhythmische Einflüsse, die der junge Franzose in futuristische Elektrobeats verkleidet.
Immer wieder türmen sich vielspurig angelegte Synthesizer auf und malen bunte Bilder von aufregenden Landschaften. Gerne ziehen sich die Harmonieinstrumente jedoch komplett zurück und machen Platz für die brachialen Basslines, die dann als melodieführendes Element fungieren und die grauen Großstädte mit aller Härte beschreiben.
Die meist unter fünf Minuten gehaltenen Tracks lassen dem Zuhörer keine Verschnaufpause. Kaum hat Fulgeance eine Bassline ausreichend beackert oder ein harmonisches Motiv oft genug wiederholt, stürzt er sich ins nächste Abenteuer. Dabei verzichtet der Produzent zwar gänzlich auf Ausflüge in den Up-Tempo-Bereich, lässt seine jahrelange Cluberfahrung jedoch nie aus den Augen.
In "Hiver Normand", zu deutsch "Normannischer Winter", verarbeitet Fulgeance eine angenehme Zugfahrt durch seine grüne und regnerische Heimatprovinz, die französische Normandie. Das Konzept geht bestens auf, so erstrecken sich tatsächlich weitläufige Landschaften vor dem geistigen Auge, wenn man sich auf den melodischen Track einlässt. Seinen Höhepunkt erreicht das Stück mit dem Übergang von klammen Keyboards zu wärmenden Bässen, mit dem der zunächst stimmungsneutrale Track plötzlich zum harmonischen Erlebnis heranwächst.
In "London Falling" und "Glasgow Lunacy" bezieht sich der Franzose mit zwei eher härteren Tracks auf das Nachtleben der britischen Metropolen und baut auf gebremste, aber groovende Beats. Die wabernden Bässe rücken ins Rampenlicht und halten die spärliche harmonische Begleitung im Hintergrund. Viel leichtfüßiger geht es im kurzen "Sweet Sofia" zu, das mit seiner verspielten Melodie sehr entfesselt klingt.
Eine weitere interessante Facette eröffnet "Espresso Freddo (I Athina Enai Teleia)". Hier verarbeitet Fulgeance seine Eindrücke der griechischen Hauptstadt mit triolischen Tremolosounds und liefert sich ein interessantes Spiel mit den Taktarten. "Tokyo Blue Nostalgia" erzählt dagegen mit konfusen Melodien von einem nächtlichen Gang durch die schimmernden Neonlichter Shibuyas.
Nach zehn eigenen Instrumentalstücken platziert Fulgeance am Ende der Platte noch sechs dazugehörige Remixtracks. Diverse Produzenten aus Ländern wie Schottland, Kroatien, Litauen oder Japan haben verschiedene Songs des Debüts ausgewählt, neu interpretiert und deutlich von ihren Originalversionen abgehoben. So klingen die Stücke in den zumeist stark veränderten Varianten noch ein ganzes Stück avantgardistischer und abgedrehter.
Beim Debütalbum des französischen Nachwuchsproduzenten handelt es sich sicherlich um keine leicht verdauliche Platte. Es lohnt sich jedoch, sich auf seine Musik einzulassen und Fulgeance auf seiner extrem kurzweiligen und abwechslungsreichen Weltreise zu begleiten.
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