Genetikk - " 5407"

Zum wievielten Mal schreibe ich jetzt diese Review? "Sacrifice". "Outtathisworld". "mDNA". Zum vierten Mal? Langsam wird es wirklich happig, noch irgendeinen neuen Gedanken zu diesen Tapes zu formulieren.

Das Ulkige dabei ist ja: Genetikk-Sympathisanten oder solche, die es mal waren, verbinden an diesem Punkt fünfzehn Jahre Lore und Höhen und Tiefen mit der Gruppe. Als Semi-Außenstehender sehe ich zehn Jahre Sinkflug. Abgesehen von ein paar komischen Drill- und Trap-Experimenten schöpfen Sikk und Karuzo aus dem immer gleichen Topf.

Sie soldiern einfach on. Es gibt kein Zurück zum Reißbrett, keine Grundsatzfragen, keine kreative Rekalibrierung. Einfach immer weiter. Komm schon, spiel denselben Song nochmal. Das einzige, was willkürlich zunimmt und abnimmt, ist das Level, auf dem Kappa zu seinem Geschwurbel zu stehen bereit ist. "5407" markiert mal wieder eine Hochphase.

Aber macht es einen Unterschied? Hier ist die Stelle in der Review, in der ich pflichtschuldig darauf hinweise, dass Sikk ein guter Produzent und Karuzo ein handwerklich guter Rapper mit schöner Stimme ist. 2013 hätte man sagen können, dass sie sich auf diese Eckpfeiler immer verlassen werden können - und sieh an, sie haben auf diesen Rat tatsächlich gehört.

Aber muss man das wirklich immer wieder betonen? Sie haben zwei bis drei gute Alben aus dem Genetikk-Teebeutel kochen können. Aber das Ding ist so ausgekocht, mit dem Level an Flavour kommen wir kaum noch auf eine homöpathische Dosis.

Natürlich gibt es ein paar brauchbare Songs. Die Tracks, in denen Karuzo über Vaterschaft spricht, sind okay. Auf "Routinen" gibt es eine kleine Passage, in der er über seine drei Kinder spricht. Oder darüber, dass er und seine Frau gerne mal wieder Zeit für sich hätten, aber dass er dann trotz aller Pläne um 21 Uhr auf der Couch einschläft. Wow! Das ist ja ein richtig ehrliches Stück Leben, dass er da aufzeichnet, das irgendwie noch lebendiger und plastischer dadurch wird, weil man es gegen das bisherige Bild von Kappa legt.

Ja! Bitte mehr davon! "Grown Man Shit" und "Sophisticated Love" schlagen in eine ähnliche Richtung, klingen mit den schönen Chipmunk-Sample-Flips ein bisschen wie etwas, das ein Shindy angehen würde. Absolut nicht verkehrt.

Wäre das nicht vielleicht der Weg gewesen? Einfach akzeptieren, dass man kein mysteriöser Maskenmann ist und versuchen, eine neue Stimme zu entwickeln, die zur aktuellen Lebensphase passt? Neeein, das wäre auch zu viel verlangt. Machen wir lieber weiter Tracks wie "Soldat Ohne Armee", die wie Trailer für absolut beschissene CGI-Actionfilme klingen.

Wenn Kappa mit seinem durchwachsenen Phrasengedresche bemüht und nicht überzeugend klingt: Wow, die Parts von Mortel und Nyze scheißen sowohl mit dem Auflauf inkohärenter und schwülstiger Bilder als auch mit dem bodenlosen Flow wirklich hart rein. Wenn der Plan war, Kappa besser dastehen zu lassen, war immerhin das ein Erfolg.

Das ist jedoch nicht der Gipfel der Scheißfeatures. Der Schlusstrack "Jung, Brutal, Gesund" featuret die Rohgang. Es tut mir leid, euch darüber informieren zu müssen, aber: Die Rohgang ist ein Duo deutscher ... Fitness-Influencern Einer hat mal die 187er auf Fitness gecoacht, der andere ist auch da, zusammen wären sie gerne so etwas wie der deutsche Andrew Tate fürs Reformhaus.

Sie interessieren sich dafür, Sachen roh zu essen, weil das scheinbar unser Testosteron hochtreibe, und wir dann endlich mal wieder maskuline Männer werden würden. Genetikk sahen diese beiden Hanswürste und dachten, dass die unbedingt rappen sollten, so wenig sie das auch können. Highlight-Line von Kappa: "Ich krieg' jede rum mit meinem Hundeblick / Mein Anmachspruch ist zehn von zehn: 'Babe, ich bin ungeimpft'". Zusammen verkaufen sie auf der Website jetzt Single-Bundles und Honig. Ungeimpften-Honig oder so, schätze ich.

Auch auf "Last Rapper Alive" reihen sich ein paar kuriose Bars. "2020, sag, wer Staatsfeind Nummer eins warn / Außer uns hat nur noch Nena Eier", zum Beispiel. "Rap-Superspreader, Kreuz- und Querdenker", auch. Oder mein persönlicher Favorit: "In mei'm Kopf Aphorismen – Facts / In dei'm Kopf Aneurysmen – Vacc's". Leute! Die Pandemie ist drei Jahre her!

Wen juckts! Wie kann man so hart auf dieser Kacke hängenbleiben? Ich erwarte ja nicht mal, dass sich Leute von absolutem wissenschaftlichen Kontext überzeugen lassen oder eingestehen, wenn sie mal falsch lagen. An dem Punkt: Könnt ihr für das nächste dumme Album immerhin eine neue Verschwörungstheorie auffahren?

Dieses Geschwurbel bleibt hängen, weil es sonst nichts tut. Glaubt mir, ich bin weder getriggert, noch will ich euch von irgendetwas überzeugen. Ich bin allen voran wirklich unglaublich gelangweilt. Sie werden dieses Album noch ein Dutzend Mal machen. 2035 werden sie dann auf "mRna 3: Supermegaalien" weiterhin darüber rumjammern, dass sie damals in der Pandemie die einzigen wahren Rebellen waren. Wenn er dann noch lebt, gibt es vielleicht ein Xavier Naidoo-Feature.

Und wenn ich noch lebe, sollte die Impfung mich nicht dahingerafft und ich immer noch nichts Besseres zu tun haben, werde ich mich wieder an die Tastatur schwingen und wieder diesen dummen, immergleichen Text zu diesen dummen, immergleichen Alben verfassen. Ach, Jungs, was freu ich mich. Verlässlicher als so manche Freundschaft.