laut.de-Kritik
Zwischen Spannung des Tages und Entspannung der Nacht.
Review von Giuliano BenassiHowe Gelb und seine Projekte zeichneten sich stets durch eine spürbare Rastlosigkeit aus. Zeit zum Verschnaufen gab sich der Tausendsassa aus Tucson nie.
Ob als Giant Sant, unter eigenem Namen oder in Arizona, bei seiner Frau in Dänemark und auf Tour – ständig fand er sich in einem Studio wieder, um neue Songs aufzunehmen. Manche seiner Platten entstanden innerhalb von wenigen Stunden.
Daran hat sich auch beim vorliegenden Album nichts geändert, denn es klingt wie gewohnt wohltuend lo fi. Doch schon durch den Opener "Fields Of Green" weht eine ganz unvertraute Brise der Zufriedenheit. Die unterschwellige Melancholie vergangener Tage, die manchmal regelrecht in einen depressiver Zustand ausartete, scheint verschwunden.
"The story has been told a thousand times / But it never gets old", stellt Howe in der Klavierballade "Chunk Of Coal" fest, die sich als astreine, schon fast schnulzige Liebeserklärung entpuppt. Gelbs Stimme klingt nicht mehr so voll wie noch in der ersten Hälfte des Jahrzehnts, aber das kann auch ein vorübergehendes Stilmittel sein.
"Between the crystal clear focus of your day to day and the luxury of sweet fuzzy sleep, we welcome you to the blurry blue mountain" erklärt er wie gewohnt kryptisch auf seiner Webseite. Will heißen: Das Album wurde zu Uhrzeiten aufgenommen, als die meisten schon im Bett liegen.
So erklärt sich, dass es sich von der Stimmung her in einer Grauzone zwischen der Spannung des Tages und der Entspannung der Nacht befindet – wobei Letzteres meistens die Oberhand gewinnt. Selbst die fiesen E-Gitarren-Gewitter, die zu den Markenzeichen von Giant Sand gehören, fallen irgendwie lieblicher aus. Im langen "Monk's Mountain" ist es nur angedeutet, "Thin Line Man" könnte man sich genauso gut langsamer und akustisch vorstellen.
Nebenbei ist der Titel des Stücks eine Hommage an Giant Sands zweites Album "Ballad Of A Thin Line Man", das 1986 erschien. Eine gute Gelegenheit, neben dem vorliegenden Album auch den gesamten Backkatalog neu zu veröffentlichen.
Die verstärkten Passagen bilden ohnehin die Ausnahme. Eher typisch sind "The Last One", das mit Streichern beginnt, dann zu entspanntem Wüstenrock übergeht. Oder "Ride The Trail", das entfernt an Johnny Cashs "Bonanza" erinnert und das nur ganz leicht verzerrte, dafür umso wirkungsvollere "No Tellin'". "Brand New Swamp Thing überrascht sogar mit funkigen Einlagen.
Das beste Stück hebt sich Gelb aber für den Schluss auf. "Love A Loser" wurde eine wundervolle Klavierballade im Duett mit Lonna Kelley. Autobiographisch ist der Titel aber kaum: Den kommerziellen Erfolg konsequent nicht vor Augen hat sich Gelb mal wieder ein gutes Stück Musik aus seinen Lenden geschnitten.
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