laut.de-Kritik
Zwischen Tango, Klassik und Klezmer.
Review von Daniel StraubWenn Giora Feidman, seine beiden Hände fest um das Instrument geschlossen, die Bühne betritt, dann braucht er sich über mangelnden Zuspruch in den meisten Fällen nicht zu beklagen. Wie zuletzt, als das Giora Feidman Quartett mit "From Klezmer To Piazzolla" die ausverkauften Konzertsäle in einen wahrhaften Rausch der Begeisterung hineinspielte. Für sein jüngstes Projekt nun hat der Maestro auf der Klarinette seinen musikalischen Mitstreitern eine Verschnaufpause gegönnt und sich mit dem Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim zusammen getan. Daraus entstanden ist eine musikalische Liebeserklärung an seine Frau Ora Bat Chaim, deren Kompositionen "Love" gefühlvoll-virtuosen Ausdruck verleiht.
Da nimmt sich der Einstieg mit dem langsam anschwellenden "On Mount Sinai" geradezu untypisch aus. Solist und Orchester scheinen sich noch nicht so recht in ihre Rollen eingefunden zu haben, buhlen nach ersten vorsichtigen Melodiebögen, geradezu capriolesk um die Aufmerksamkeit des Zuhörers. Die anfängliche Eitelkeit ist mit "In The Joyful Light" jedoch schnell vergessen. Getragen von Feidmans klar artikulierter Melodie, akzentuiert vom prägnanten Anschlag der Streicher, geben Tango-Rhythmen den Takt vor. Solist und Orchester vollführen ein facettenreiches Liebeswerben, das sich zunächst leicht und spielerisch zeigt, das getrieben ist vom Übermut frisch Verliebter. Melancholische Zwischentöne lebt mit bedrückender Schwere das "Adagio Molto Espressivo" aus, wenn Feidmans Klarinette niedergeschlagen und zuerst, kaum hörbar, seufzt bevor sie zum großen Trauergesang anhebt. Auch die im Moll gekleideten Akkorde des Streichquartetts ersticken fast jede Hoffnung auf ein Happy End im einem Tränenmeer.
Wohltuend versöhnliche Töne hellen schließlich im "Allegro Con Brio" das Gemüt wieder auf, wenn das zauberhaft leichte Anfangsmotiv noch einmal aufscheint. Diesmal jedoch nicht mehr vorsichtig zurückhalten, sondern mitunter gar erotisch schnurrend und fordernd. Der Tango als Spiel zwischen Nähe und Distanz. Es ist das intensiv bildhafte, ja gar körperliche dieses musikalischen Paarungsrituals, das "In The Joyful Light" zum bewegendsten Stück auf "Love" macht.
Möge "In The Joyful Light" Ausdruck der spielerischen Seite der Liebe sein, so stellen die folgenden Stücke vor allem die spirituelle Dimension menschlicher Gefühle in den Vordergrund. Hier offenbart Ora Bat Chaim ihre jahrelange Erfahrung mit dem jüdischen Mystizismus und nimmt Liebe vor allem als ein das Leben transzendierendes Moment wie in "Chiuch Tam" wahr. Beinahe meditativ wirken Feidman und das Pforzheimer Streichquartett in solchen Momenten auf den Zuhörer ein, machen das musikalische Erlebnis zu einem Akt der Selbsterfahrung, bevor der "Pam Pam Dance" noch einmal weltlichere Assoziationen wachruft.
Mit "Love" lässt Giora Feidman, der sich als Wanderer zwischen den Welten von Klassik, Tango und Klezmer einen weltweiten Ruf erspielt hat, das Pendel eindeutig in Richtung Klassik ausschlagen, ohne seine Wurzeln dabei zu vergessen. Der Maestro einmal mehr ganz groß im Rampenlicht.
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