laut.de-Kritik
So klingt der perfekte Sommer (wenn nur die Texte nicht wären).
Review von Anastasia HartleibSeit Goldlink vor fünf Jahren auf der Bildfläche auftauchte, galt er als die Hoffnung für innovativen, intelligenten und quer gedachten Rap. "Diaspora" scheint diese Hoffnung allerdings zu begraben.
Zumindest teilweise. Soundtechnisch liefert der Rapper aus Washington auf seinem zweiten Album immer noch qualitativen Sound. Nur die Richtung hat sich etwas gedreht: Stand bei "At What Cost" beispielsweise lässig-tanzbarer Funk im Vordergrund, zeichnet sich "Diaspora" vor allem durch trappige Produktionen aus, die neben Dancehall-Anleihen auch einen leichten Funk-Groove versprühen.
Das Album besitzt einen zugleich zeitgeistigen und zeitlosen Charme, der nach dem perfekten Sommer klingt. Baut sich "Diaspora" zunächst im Trap auf, schafft es mit "Days Like This (Feat. Khalid)" erst einen ruhig-melancholischen Moment, bevor mit "Zulu Screams (Feat. Maleek Berry, Bibi Bourelly)" eine treibende Afrotrap-Nummer anfängt, die diesen Namen tatsächlich auch mal verdient hat. "U Say" macht mit Tyler The Creator und Jay Prince die Funk-Schublade auf und geht dann in die verdächtig an den "Murder She Wrote"-Klassiker (oder jeden zehnten Dancehall-Track) erinnernde Bassline von "Yard (Feat. Haile)" über.
Nur um dann vom "Spanish Song" wieder auf Trap-lastigere Sounds zu kommen. Trotz des breiten Genre-Spektrums liegt "Diaspora" eine Tiefenentspanntheit zu Grunde, die den Produktionen ihren letzten Feinschliff verleiht. Könnte man dasselbe doch auch nur für den Inhalt sagen.
Auf dieser Ebene legt Goldlink nämlich eine Wende hin, die so gar nicht nachvollziehbar scheint. Schwärmte Thomas Haas bei "At What Cost" noch von einem Narrativ, "das immer lebensbejahend und tanzbar ist und ohne jeglichen Materialismus auskommt", gilt für den Nachfolger das ganze Gegenteil. Neben Frauen, die der Rapper am liebsten wie Wegwerf-Telefone benutzen würde, geht es außerdem noch um die street cred, Waffen, Diamantketten, Yachten und Geld an sich. Innovativ zeigt sich da lediglich Pusha T, der in "Cokewhite" vor lauter Zeug schon nicht mehr weiß, womit er angeben soll und deswegen auf seine Reisekoffer-Marke schwört.
"Haste was, biste was." Es sieht fast so aus, als hätte diese dämliche, viel zu weit verbreitete Binsenweisheit auch in Goldlinks Hirn das Steuer übernommen. Dass er eigentlich mehr ein "Erzähler" sein wollte, hat er wohl in der Jagd nach der Kohle geflissentlich vergessen.
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