laut.de-Kritik

Radikales Update in Sachen Sprache und Flow.

Review von

"Diskman Antishock II" ist der zweite Teil einer als Trilogie angedachten Veröffentlichungsreihe. Darin reflektiert Goldroger das eigene Erwachsenwerden, wobei die jeweiligen Teile diesen Prozess spiegeln. Während "Diskman Antishock I" noch eher mit eher jugendlichen Themen wie Orientierungskrise und Perspektivlosigkeit haderte, fokussiert der zweite Teil den Blick auf die Gegenwart. Ausgangspunkt der Reihe war der Bruch einer langjährigen Beziehung, die Goldrogers Schreibblockade lockerte.

Die "Diskman"-Reihe lässt sich aber auch als Emanzipation vom gemütlichen Anglerhut-Träger lesen, der seine Raps mit Reggae-Beats und 60s-Vibes vermischte. Konstante Elemente wie Samurai-Schwerter, Superhelden und Animes findet man zwar weiterhin, der Bezugsort ist jedoch ein anderer. Statt vor blühenden Löwenzahn-Feldern den deutschen Mac DeMarco des Raps zu mimen, zieht es ihn jetzt hinaus in die unendlichen Datenströme des Cyberspace: "Sag es Larry Page, ich will hoch ins All." Seine links-alternativen Ideale wirft er dabei nicht einfach über Bord, sondern projiziert sie auf die Gegenwart: "Freie Liebe Highspeed" für alle, yeah!

Damit gelingt ihm unfreiwillig der perfekte Soundtrack zur Zeit. Das Internet als die Rettung der Menschheit kundschaftet er in den intimsten Winkeln aus. Das macht "Uu" zwar nicht explizit, aber in der Welt von Goldroger kann man sich gut vorstellen, wie die Avatare zweier Verliebter im Gras liegen, während Pixel-Wolken an ihnen vorbeiziehen und King Krules "Baby Blue" im Hintergrund läuft: "Du hast mich, gleich hab' ich dich, wir hab'n nichts / Alles wie gehabt, 'n echtes Mal und zwar fresh." Die melancholisch süßen Vibes, die "Uu" und "Parabelflug" verbreiten, erinnern nicht nur hier an Mac Miller.

"Parabelflug" ist auch der Moment, in dem das Album in merklich düstere Bereiche kippt. Ein ambivalenter Blick auf den eigenen Drogenrausch, wobei schon die Metapher im Titel den unvermeidbaren Absturz vorwegnimmt: "Auf's Bier 'nen Vodka, auf die Lunte 'ne Line / Und - auf einmal kippst du um und küsst stumm den Asphalt, fuck." Die Übergänge von sommerlichen Vibes zu bedrückender Innenschau sind fließend, die Beats von Dienst & Schulter sorgen für Überraschungsmomente. So würde die Hook auf "Stromkreis" auch Tua und den Orsons gut zu Gesicht stehen - dass der Text suizidale Gedanken verarbeitet, checkt man erst später.

Vor allem feilte das Team Goldroger/Dienst & Schulter an der Eingängigkeit der Tracks, die kaum mal die Drei-Minuten-Marke überschreiten. Der Hall auf der Stimme und der subtile Einsatz von Autotune präsentieren seine Musik auf der Höhe der Zeit. Selten habe ich E-Gitarren in Rapsongs als so passend empfunden wie auf "Horcrux". Vor allem aber bedeutet die "Diskman Antishock"-Reihe ein radikales Update in Sachen Sprache und Flow, das sich in einer eigenwilligen Syntax spiegelt: "Open Source Renaissance aus dem Weg / Phone ist smart - nur ein Schlag trennt die Statue vom Fels / Ja der Part so Florenz, dabei schrieb ich in Köln / Bei der Arbeit mit dem Carrara Marmor nicht stören."

Die Namen und Wörter, die Goldroger verwendet, klingen nach einer vor Zukunftsversprechen flirrenden Gegenwart, sie sind Brands für ein absolutes Jetzt, in dem Leute von der AfD wie Anachronismen anmuten, staubige Kommoden im aerodynamischen Interieur einer Haus-Kapsel: "Im Internet fand ich Asyl mit den anderen Freaks / Vor den Konservativen." Immerhin nimmt er sich noch Zeit für einen kurzen Schnack an der Tanke mit Til Schweiger: "Er sagt 'hey wie geht's' - ich frag 'wo ist Fred? / Was ha'm wir gelacht kannst du nochmal den Ball fang'?'" Im Rückspiegel erhascht er noch den überforderten Schauspieler, dann düst er davon, der Simulation eines Sonnenuntergangs entgegen.

Trackliste

  1. 1. Tesla
  2. 2. Lip Gallagher
  3. 3. Kalkulation
  4. 4. Uu
  5. 5. Parabelflug
  6. 6. Stromkreis
  7. 7. Horcrux

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