laut.de-Kritik
Jason Lytle verabschiedet sich mit seinem anspruchvollsten Album.
Review von Giuliano BenassiWährend ein Klavier im Hintergrund vor sich hin klimpert, fragt ein Kind wiederholt, was mit der Katze passiert sei. "What happened to the family cat? What happened to the family cat?", sagt es immer und immer wieder.
Die Antwort auf die Frage kommt zum Schluss des Artikels. Davor müssen wir uns mit Grandaddys viertem Album beschäftigen (unzählige EPs mal nicht mitgerechnet), das gleichzeitig auch ihr anspruchsvollstes ist. Nach dem Kritikerliebling "The Sophtware Slump" (2000) und dem zu lieblich geratenen "Sumday" (2003) dreht Bandchef Jason Lytle nun den Spieß um: Kaum noch Wohlklang oder pfiffige Melodien, sondern Geklotze im Stile eines klassischen Komponisten, der alle Instrumente seines Orchesters gleichzeitig einsetzt.
Bei Grandaddy handelt es sich verhältnismäßig bescheiden um Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboard, aber ebendieses Keyboard hat es in sich – vor allem, wenn es wie bei Lytle im Wohnzimmer steht und ihn dazu verführt, mit seinen Möglichkeiten zu spielen. Ein halbes Jahr habe er am Album gearbeitet, erklärt er, mittlerweile ohne Bart. Er sei so in die Musik eingetaucht, dass er seine wichtigste Inspirationsquelle, den Alkohol, vollkommen vergessen habe.
Der Kater ist also weg – und somit haben wir eine erste Antwort auf die Frage zu Beginn, - nicht aber der dazugehörige Nebel. "Jeez Louise" setzt mit lärmenden Gitarren und "Space Invaders"-Sound ein. Ein vertracktes, lärmendes Stück, das mit einer sanften Akustikgitarre endet. Diese geht in "Summer…It's Gone" über, ein melancholisches, folk-poppiges Lied, das ein typisches Grandaddy-Keyboard enthält (Wind, programmierte Sequenz). "Summer is gone and I don't know / Where everyone went or where I'll go", lautet der Refrain.
Schon jetzt fällt auf: Das Album ist ausgeprägt vielschichtig und mit etlichen Sounds und Spielereien versetzt, wie als ob sich Lytle und seine Mitstreiter noch einmal richtig austoben wollten. "Rear View Mirror" rockt ordentlich und bietet ein Gitarrensolo zeitgleich zu einem künstlichen Frauenchor. "Hey guys and girls, it’s the end of the world”, heißt es in "The Animal World", das voller elektronischer Gimmicks steckt und mit Tiergeräuschen zu Ende geht.
"Skateboarding Saves Me Twice" könnte ein Pop-Stück aus den 80ern sein, wären da nicht zu viele Instrumente, zu viele Schichten, zu viel Gedudel. "50%" erscheint als kurzes Punk-Intermezzo, das so auch von Giant Sand stammen könnte, "Where I'm Anymore" erinnert dagegen an Neil Young (der aber wohl nie "Miau miau miau miau miau, where I'm anymore" singen würde), dann geht das Spiel weiter, mit Akustikgitarren, Keyboards und elektronischem Schnickschnack, die sich miteinander verquicken.
"Ist dies das Ende von Grandaddy, wie wir sie kennen?", fragt sich das Label in der Pressemitteilung. Fest steht, dass es sich bei "Just Like The Fambly Cat" um ihr letztes Album handeln soll, denn wenige Monate vor der Veröffentlichung hat Lytle ihre Auflösung angekündigt. "I don't wanna work all night and day on writing songs that make the young girls cry. Or playing little solos on the keyboard, so the kids wanna know how and why. I just wanna elevate myself", singt er passend in Stück Nummer elf. "I'll never return" erklärt er im abschließenden hidden Track, begleitet von Sopran, Klavier und elektronischen Streichern.
Eine klare Aussage, obwohl Grandaddy für gelegentliche Konzerte auch in Zukunft zusammenkommen wollen. Lytle hat angekündigt, das heimatliche Kalifornien zu verlassen und nach Montana zu ziehen. "Katzen sind dafür bekannt, dass sie verschwinden, wenn sie krank sind. Sie sind plötzlich weg", erklärt er seinen Schritt. Womit die Frage des Kindes beantwortet wäre.
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