laut.de-Kritik
Zurück zu den Roots von "Heavy Metal Breakdown".
Review von Stefan JohannesbergWie konnte es sein, dass eine deutsche Metalkombo der 80er NICHT den Weg in mein Kinderzimmer-Tapedeck fand? Helloween, Sodom, Running Wild, Accept, Victory, Warlock – doch was erlauben Grave Digger? Die Band aus Gladbeck erspielte sich zwar in 45 Jahren eine eingeschworene Fangemeinde, schmuggelte sich aber mit ihrem klassischen Metal-Ansatz stets an mir vorbei. Erst 2014 zogen die Mannen um Mastermind und Sänger Chris Boltendahl mit "Return Of The Reaper" und Priest'schen "Turbo"-Gedächtnis-Synthies, mitreißenden Refrains und Running Wild'scher Epik in die heimische iTunes-Liste ein und tauchten dort auch danach immer wieder auf.
Ihr 23. Streich "Bone Collector" dagegen führt zurück zu jenen Roots, die ihnen 1984 mit "Heavy Metal Breakdown" den Durchbruch brachten. Keyboards, Chöre oder Bombast werden gestrichen wie der Haushalt der Bundesregierung. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und lassen zum allerersten Mal überhaupt jedes Tastenspiel außen vor.
Standesgemäß rotzt der Titeltrack vom Start weg eine Ladung Old-School-Metal ohne Kompromisse oder Besonderheiten in die Gehörgänge. Boltendahls Stimme kratzt und kraweelt wie gewohnt, immer einen Tick weniger aggressiv als Dirkschneider und halb so charismatisch wie Rock'n'Rolf. Noch eine Schippe drauf packt "The Rich, The Poor, The Dying", das mit schönen Riffs von Neu-Klampfer Tobias Kersting und hohem Speed überzeugt. "Money for nothing, death for free." Grave Digger animieren Metal wieder als die Arbeitermucke, die er früher einmal war.
Nach dem langweiligen "Kingdom Of Skulls" lädt der Highway-Groover "The Devil's Serenade" zum Gaspedaldrücken und Lenkradklopfen ein. "Killing Is My Pleasure" dreht den Kahn wieder richtig in Richtung Speed Metal, dieses Mal gar mit einem shout-tauglichen Refrain. Mit "Mirror Of Hate" wagen sich Grave Digger zum ersten Mal weg von ihrer klassischen "Voll-auf-die-Zwölf"-Linie, bauen den Song anders auf, unterfüttern den Chorus mit melodischen Riffs und erarbeiten sich so mehr Tiefe.
Von den folgenden vier Tracks überzeugt dann aber nur der stark an Priest erinnernde Rocker "Graveyard Kings". Der Rest stampft oder schreddert hundertfach gehört an einem vorbei. Doch Boltendahl schenkt seiner Fangemeinde das Beste ganz zum Schluss.
"Whispers Of The Damned" kuschelt sich als kraftvolle Halbballade über den Friedhof. Ähnlich wie bei U.D.O., wenn sich die Musik zurücknimmt und durch variantenreiche Harmonien neue Räume bietet, entfalten sich Kraft und Grip in des Metal-Shouters Organ erst richtig. Die Musik spielt sich variantenreich in den Vordergrund, und das Reibeisenorgan kann sich dem Song unterordnen, statt die ganze Zeit angestrengt den Harten zu mimen. Mehr dieser Dynamik hätte "Bone Collector" gutgetan.
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