laut.de-Kritik
Plötzlich wirkt das Leben wieder logisch.
Review von Emil DröllEs steht schlecht um den deutschen Schlager. Autotune hier, Plastikbeats dort, die Schlagerpiloten fliegen seit Jahren mit Synthesizer-Sprit durch die Umlaufbahn der Belanglosigkeit. Um so willkommener also das neue Album des österreichischen Schlager-Gottes Hansi Hinterseer.
Und was für ein Glück: Schlechte Musik ist diesem Mann auch 2025 noch so fern wie seine Naturhaarfarbe. Allein die Tatsache, dass er sein Werk "Bärig" getauft hat, verdient fünf Sterne ungehört. Der Name ist so charmant naiv, dass er fast schon als Gesamtkonzept reicht.
Doch wie immer legt Hansi nach. Wo andere mit lahmen Beats herumdümpeln, schleppt der Ex-Skiprofi lieber Harmonika, Harfe und Zither ins Studio. 16 traditionelle Tiroler Volkslieder hat er aus der Almhütte geklaubt und neu aufpoliert. Einmal mehr erweckt er das Gefühl: In Tirol ist die Welt noch in Ordnung. Kein Krieg, kein TikTok, keine Inflation – nur Edelweiß, Ziachorgel und ein fröhliches Griaß di.
Das Edelweiß gibt's gleich als Songtitel: "Ein Kleines Edelweiß" jodelt sich Hansi durch die Kopfhörer, und plötzlich wirkt das Leben wieder logisch. Einfach in Ordnung. Nicht mehr, nicht weniger. Texte wie die von "De Liab, De Hat Da Hergott G'macht" sind sogar für Hochdeutschler verständlich, auch wenn man beim Mitjodeln den Kiefer besser vorher lockert. Richtig perfekt wird es bei "Lustig Und Guat Drauf": Zwei Minuten Tuba-Geballer, das klingt wie Oktoberfest auf Speed. Mehr braucht's nicht, um den Bierkrug im Takt zu heben.
Natürlich schlägt der Bergbub auch nachdenkliche Töne an. Mit 71 Jahren darf man das: "I Denk No Allwei An Di" klingt nach viel Leben, noch mehr Skihütten und mindestens drei Liter Zirbenschnaps. Dazu Akkordeon und Harfe in "Ich Grüße Dich Viel Tausend Mal" – fertig ist die nächste Hymne auf das ewige Tirol, wo selbst die Gams wahrscheinlich mitschunkelt.
Zwischendurch versteht man auch mal gar nichts, etwa in "Z'nachst Hob I". Aber egal. Solang Hansi jodelt, schleicht sich das Gefühl ins Herz. Passend dazu fasst "Wos Eppa Dös Bedeut" den Gedankengang zusammen: vielleicht nichts, vielleicht alles, Hauptsache alpin. Weitere Highlights? "Früh Schon Am Morgen (Bergeskind)" mit ordentlich Blasmusik, "Zwischen Schwindelnden Höh'n" als kitschige Bergromanze und das zweistimmige "I Hab Mein Dirndl A Briaferl Gschrieben". Eine Frau, ein Brief, ein Jodler – das Universum ergibt plötzlich wieder Sinn.
Aber, bei aller Hansi-Liebe: Irgendwann reicht's. Die Kuhglocke kann man nicht ewig scheppern lassen. "Hoch Die Gläser" ist ein Banger, sicher. Doch spätestens nach dem zwölften Gipfelhymnus will man den Mann sanft zurück in die Almwiese legen und ihm ein wohlverdientes Schnapserl reichen. Gut, dass das Album mit dem "Bärig Aufgspürt"-Medley noch einmal alles zusammendampft – ein finales Schunkelmonster, das sein Versprechen einlöst.
Unterm Strich bleibt: ein wohliger Heimatfilm fürs Ohr. Handgemacht, traditionell, mit echtem Tiroler Charme – aber eben auch ohne große Überraschungen. Hansi liefert, wie immer, solide Almenware, die ihre Fans glücklich macht. Für alle anderen gilt: einmal anhören, ein Stück Germknödel zum Trost, und das Gefühl, dass in Tirol tatsächlich noch alles in Ordnung ist.
7 Kommentare mit einer Antwort
"Und was für ein Glück: Schlechte Musik ist diesem Mann auch 2025 noch so fern wie seine Naturhaarfarbe. Allein die Tatsache, dass er sein Werk "Bärig" getauft hat, verdient fünf Sterne ungehört. Der Name ist so charmant naiv, dass er fast schon als Gesamtkonzept reicht."
Trve Austrian Schlager. Die Dancepop-Poser können einpacken!
3 Sterne für Hansi + KI-generierte Rezi. Bei laut.de ist ein Abwärts-Trend deutlich erkennbar.
Emil Troll at it again
Ich begrüße es ausdrücklich, dass Laut.de sich endlich ein trojanisches Pferd leistet und hoffe inständig und neidlos, dass er so unbehelligt weiter machen kann. Da knistert's gewaltig im Gedröllk.
Telamo zahlt wohl recht gut für Reviews > 1*(?)
Rokko Weissensee hätte ebenfalls ein Album zum Rezensieren. Das einfach so am Rande.
Hansi aber grundsätzlich grossartig. 2/5