laut.de-Kritik
Auf zu anderen Ufern
Review von Franz MauererSchön, wenn auf der Verpackung korrekt vermerkt ist, was drin ist: "Other Shores" ist ein Coveralbum, das schärfste aller zweischneidigsten Schwerter der Musik. Man lernt etwas über den Künstler, denn die Auswahl ist natürlich oft vielsagend, andererseits ist es nicht gerade leicht, Mehrwert zu erzeugen, jeder drittklassige Soundcloud-Remix-DJ kann ein Lied davon singen - und einfach nachsingen ist auch fad.
Manche Bands haben einen so starken Sog, dass sich dieses Problem von selbst erledigt, Heather Nova kommt eher über die Genre-Schiene. Zwar wies sie ihre (Pop-)Rock-Credentials mit "Pearl" nach, "Other Shores" ist aber eine reine und recht zahme Folk-Pop-Angelegenheit; außer Akustikgitarre, Klavier und Geige ist nur die Stimme der Bermudianerin zu hören.
Die Songauswahl reicht von "Like A Hurricane", "Waiting For A Girl Like You", "Fireproof" bis zu "Here Comes Your Man" genremäßig doch einigermaßen weit, aktueller als "Cold Little Heart" wird es allerdings nicht. Auffällig ist, und die Interpretin gibt das selbst in Interviews an, dass Nova gerne Männerrollen einnimmt, die über Frauen singen. Der gendertheoretische Erkenntnisgewinn bleibt auf "Waiting For A Girl Like You" oder "Never Gonna Give You Up" aber begrenzt. Für "Jealous Guy" gilt das nicht, "I didn't want to hurt you" bekommt bei Nova eine im Vergleich zu ihrem gewohnten Schmachten zurückgenommene, fast schon zynische Lauwärme.
Heather Nova verhebt sich auf "Other Shores" nie komplett, ihr reduzierter Ansatz funktioniert aber oft nicht, weil er nicht konsequent durchgezogen wird: Die Instrumentalisierung ist spärlich, sie summt und schlägt aber stimmliche Haken am Fließband. Die Idee, die Songs aufs Wesentliche zu skelettieren, wird dadurch konterkariert.
"Never Gonna Give You Up", "Stayin' Alive", "Don't Stop Believin'" und "Sailing" hat sie einfach nichts hinzuzufügen außer einer handwerklich blitzsauberen Stimme. Die hat ein Rod Stewart nicht, aber das ist ja auch der Gag an ihm. Es fehlen bei Nova die Ecken, Kanten und Ösen, die diesen Songs im Original Reibungsfläche verpassen, an den schwächsten Stellen werden sie so einfach langweilig oder bekommen derart heruntergebrochen einen unfreiwilligen Demo-Charakter.
Daran ändert auch die liebevolle Bearbeitung nichts, die an einigen wenigen Stellen wie "Message Personnel" kleine Risiken - was für ein toller Bass - eingeht und umgehend dafür belohnt wird. Nova als Sängerin hat ein vorzügliches Organ, ihre Stärke liegt aber im Dialog mit den Instrumenten, die sie auf "Other Shores" mit "Ever Fallen In Love" und "Fragile" ausleben darf, und eine ganz andere, stärkere Wirkung erzielt. Ihr "Huhu" zur Songmitte von "Fragile" lässt einem die Härchen erbeben. Schade, dass "Other Shores" mit seinem eintönigen Ansatz diese Momente nur spärlich zulässt.
3 Kommentare mit 8 Antworten
Mir reicht ihre Stimme, um das Album sehr schön zu finden. Die Behauptung "ihr reduzierter Ansatz funktioniert aber oft nicht, weil er nicht konsequent durchgezogen wird" kann ich nachvollziehen.
Trotzdem wunderbar aus der Zeit gefallen.
Habs aber noch nicht geschafft das Album am Stück durchzuhören, weil ich dabei immer einschlafe. Sehe ich aber positiv, weil Schäfchenzählen schon lange nicht mehr funktioniert.
Schöner Kommentar ♥
Ein Album auf dem "Never Gonna Give You Up" ist, KANN nicht schlecht sein und das ist ein Fakt!
Wahrscheinlich tu' ich der guten Frau Unrecht und das Album braucht einfach noch ein paar Drehungen, aber nach den ersten Durchläufen war mein Eindruck "Hier legt mir jemand 'Leave Me Breathless 2' vor, nachdem Ane Brun keinen Bock mehr auf eine zweite Runde hatte".
Gruß
Skywise
Heather ist aber schon wesentlich länger am Start. Kann dennoch sein, dass sie sich von 'Leave Me Breathless' inspirieren ließ.
@gizmaniac:
Sicher ist Heather Nova länger unterwegs, und ich weiß ja auch, daß sie immer wieder mal recht ruhige Stücke in ihre Alben eingeflochten hat, auch von anderen Urhebern ("Gloomy Sunday", "Wicked Game", "I'm On Fire"), ehe Ane Brun ihre erste Note veröffentlicht hat. Auch wenn die letzte Coverversion schon wieder 'ne Weile her ist ... insofern ist ein ruhig gestaltetes Coveralbum nicht soo eine große Überraschung. Aber ich hätte Heather Nova trotzdem etwas mehr Mut zugetraut. (Ursprünglich stand hier noch der Satz "Selbst Carla Brunis 'French Touch' hatte mehr Cojones beim akustischen Umgang mit Fremdmaterial als 'Other Shores'", aber das hätte wahrscheinlich dann doch abwertender geklungen als es gemeint gewesen wäre).
Gruß
Skywise
@Skywise:
Stimmt schon. Etwas mehr Mut in der Instrumentierung und vor allem in der Songauswahl wäre schon schön gewesen. Jealous Guy z. B. wurde ja schon unzählige Male gecovert. Allerdings ist die Version von Florence wirklich toll: https://youtu.be/PO9UPuUhzE0
Von Heather gefällt mir das Album OYSTER am besten.
@gizmaniac:
Joah, von "Jealous Guy" gibt's ein paar originelle Coverversionen. Florence gefühlvoll, Frankie gegen den Strich und herausfordernd ... https://www.youtube.com/watch?v=XJaPPHnMbns
"Oyster" ist sicher eins der drei besten von Heather Nova. Je nach Tageslaune spielen da bei mir noch "Siren" oder "Redbird" mit (wobei "Redbird" sicher nicht das qualitativ beste Liedgut von ihr enthält, aber mir gefällt die Stimmung auf dem Album recht gut). "Pearl" hat sich aber auch schon recht weit nach vorne gemogelt, wenn es auch viel zu selten seinen Weg in die Anlage gefunden hat. Ich hab' erst mal geseufzt, als ich gestern gesehen habe, daß das Album auch schon wieder drei Jahre auf dem Buckel hat. So viel Musik, so wenig Zeit ...
Gruß
Skywise
@Skywise:
Danke für den Tipp zu Frankie Miller!
Kenne weder Künstler noch Song. Gefällt mir total gut.
Dass Pearl schon drei Jahre alt ist, hat mich jetzt auch überrascht.
Mir geht's manchmal so, dass ich ein Album einmal anhöre und dann wieder vergesse.
Wenn ich es dann zufällig mal wieder rauskrame, merke ich erst, wie super es ist. Ist natürlich stimmungsabhängig.
@gizmaniac:
Frankie Miller - leider eine sehr tragische Gestalt.
Das hierzulande wahrscheinlich bekannteste Lied ist "Darlin'".
https://www.youtube.com/watch?v=63VlL-Kkmc4
Das Lied, mit dem man die meisten Leute zu Frankie Miller kriegt, ist im Regelfall nicht "Jealous Guy", sondern "Jealousy".
https://www.youtube.com/watch?v=Uuk6l3WwBG0
Ich muß ein Album mal mit eingeschaltetem Hirn hören, dann bleibt normalerweise auch was haften, und wenn's nur eine schale Erinnerung ist. Oder halt die Gewißheit, daß das Album in einer anderen Stimmung oder beim wiederholten Hören Wachstumspotential hat, und damit lag ich vergleichsweise selten falsch. Daß ich ein Album wegsortiere und erst später für mich entdecke, braucht meistens einen Schubser von Freunden oder aus dem Feuilleton; klappt aber manchmal auch, wie ich vor ein paar Wochen an Country Joe & The Fish gemerkt habe.
Gruß
Skywise
@Skywise:
Ah ... Darlin. Das kenn ich tatsächlich noch und versetzt mich gefühlte Lichtjahre in die Vergangenheit zurück. Komisches Gefühl, aber hab gelernt damit klarzukommen.
"Jealousy" ist wirklich sehr stark!
Werde mich mal näher mit ihm auseinandersetzen.
Mit spät lieben gelernten Alben fallen mir "Gold against the soul" von den "Manic Street Preachers" ein oder "Payola" von "Desaparecidos"