laut.de-Kritik
Diese Stimme ist eine sichere Bank.
Review von Martin LeuteDie kanadische Sängerin Holly Cole ist seit 1990 eine der verlässlichsten Größen auf der Jazzbühne und immer wieder für Überraschungen gut. Das beweist die begnadete Interpretin nun auch mit ihrem jüngsten, selbstbetitelten Album. Gemeinsam mit Produzent, Arrangeur und Bassist Greg Cohen hat sie diesmal ein vielköpfiges Ensemble aus kreativ improvisierenden Musikern zusammengestellt.
Das Spiel dieses kleinen Großensembles ist aber weit vom klassischen Big Band-Jazz entfernt. Ausgestattet mit einer individuell unterschiedlichen Sprache und der Fähigkeit zu gemeinsamer kreativer Arbeit werden vertraute Jazz- und Pop-Standards der 1920er bis hin zu den 60er Jahren innovativ interpretiert und entstaubt. Entstanden ist ein lebendiges und vielseitiges Werk, das auf altbewährte und weniger bekannte Songs setzt.
Ein Trommelwirbel leitet das Album ein, ehe verwegen ein Saxophon ertönt und Holly das bluesige, in den 30er Jahren geschriebene "The House Is Haunted By The Echo Of Your Last Goodbye" vorträgt. Bläsersätze prägen sowohl diesen Song wie auch die gesamte Platte, drängen sich aber ebenso wenig wie das Schlagzeug oder das Piano in den Vordergrund. "Charade" von Johnny Mercer und Henry Mancini swingt mit einem flotten Basslauf und einem Saxophon-Solo vor sich hin, die leichte Melancholie in Coles Stimme wird dem Text des großartig instrumentierten "I'll Wait For You" absolut gerecht.
Grandios ist ihre Interpretation von Antonio Carlos Jobims "Water Of March". Mit rauer Stimme und sanfter Piano-, Gitarren- und Bassbegleitung ringt sie diesem Song seine Essenz ab. Lüstern-lässig trägt die Combo den "Alley Cat Song" vor, mit dem der Pianist Bent Fabric 1962 Weltruhm erlangte. Cole Porters "It's Alright With Me" beginnt verhalten mit einem Bläser-Intro, ehe Cole mitsamt Ensemble zum atemlosen Einsatz anstimmt. Mit "Larger Than Life" steuert Holly Cole eine Eigenkomposition bei, eine ungeheuer lässige, vom Piano geführte Nummer. Dem schließt sich das wunderbare "Be Careful, I'ts My Heart" von Irving Berlin an, Stimme und Piano genügen, um eine einnehmende Intensität zu erzeugen.
"You're My Thrill" verdeutlicht das stimmliche Potenzial Coles, das laszive Timbre erinnert an das einer Eartha Kitt. Ebenso im fantastischen "Life Is Just A Bowl Of Cherries", in dem Gitarre, Klarinette und Posaune eine verspielt-heitere Stimmung versprühen. Das Album endet leise mit dem melancholischen "Reaching For The Moon", dem vor allem das Klarinetten- und Akkordeonspiel einen dunklen, aber auch zuversichtlichen Klang verleiht.
Holly Coles Interpretationen changieren mühelos zwischen traditioneller Aneignung der Originale und einer innovativen Herangehensweise. Die große Stärke dieser Platte liegt in der Instrumentierung und den subtilen Arrangements, die trotz Facettenreichtum sehr verhalten gesetzt sind. Letztendlich spielen alle Instrumente dem Gesang Coles zu, umgarnen sie und schwingen sich hier und da zu einem unaufdringlichen Solo auf.
Und die Stimme Coles ist sowieso eine sichere Bank. Ob brüchig, heiser, lasziv oder verspielt, immer gelingt ihr der perfekte Ausdruck, Emotionen klanglich zu veranschaulichen. Wem dann noch die Songauswahl zusagt, der ist mit diesem gelassenen Jazz-Album bestens bedient, kann den Vorhang zuziehen und das Licht dimmen.
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